Softwarepatente: Zoff der "Mittelständler"

Während für die Campaign for Creativity 250 kleine und mittlere Unternehmen in Brüssel für Softwarepatente demonstrierten, traten 500 deutsche Mittelständler in einer Erklärung an EU-Abgeordnete dagegen ein.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 320 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.

Im heißen Lobbykampf um die EU-Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" spielt im Vorfeld der 2. Lesung Anfang Juli die Frage der standesgemäßen Vertretung "des Mittelstandes" eine immer wichtigere Rolle. Seit langem deutlich ist, dass die Großindustrie sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) angesichts unterschiedlicher juristischer Ressourcen und Wettbewerbsstrategien in der Frage eines starken Monopolschutzes bei Software im Allgemeinen über Kreuz liegen. Die hauptsächlich von Konzernen unterstützten Lobbyvereinigungen, die sich für eine breite Patentierbarkeit von Computerprogrammen gemäß der auch in den eigenen Reihen umstrittenen Version des EU-Rates stark machen, bemühen sich inzwischen aber intensiv, auch die Interessen von KMUs an ihren Zielen herauszustreichen.

Laut der Campaign for Creativity (C4C) hatten sich so am gestrigen Donnerstag "rund 250 kleine und mittlere europäische Unternehmen" in Brüssel versammelt, "um für starken europäischen Patentschutz computerimplementierter Erfindungen zu plädieren". Höhepunkt der Veranstaltung war ganz nach dem Muster wiederholter vorheriger Demonstrationen des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) "das Aufsteigen zahlreicher Luftballons", welche die Risiken symbolisieren sollten, "die mit dem Entschweben europäischer Innovationen einhergehen". Einer der Teilnehmer, der Chef der Londoner Softwaredistributionsfirma Tribeka Daniel Doll-Steinberg, appellierte an die EU-Parlamentarier, die Position des Ministerrates zu unterstützen. Nur so seien die "irreparablen Schäden" zu vermeiden, die "durch die Aufhebung" der mehreren tausend Softwarepatente entstehen würden, die das Europäische Patentamt in einer weit gehenden Interpretation der Rechtslage in Europa bereits gewährt hat.

Welche Mittelständler die C4C konkret vertritt, ist nicht ganz einfach in Erfahrung zu bringen. Auf ihrer Website listet die Kampagne, die der schon im Streit um Biopatente aktiv gewordene Londoner "Public Affairs"-Manager Simon Gentry ins Leben gerufen hat, zwar unter anderem die Karlsruher Wibu-Systems AG als Unterstützer auf. Ansonsten dominieren die Aufzählung jedoch Konzerne wie Microsoft und SAP. Mit der CompTIA gehört zudem ein in Chicago beheimateter Branchenverband dazu, der sich seit langem auch in Brüssel für breite Softwarepatente stark macht.

Einen Schwerpunkt habe die Basis von C4C im "künstlerischen Sektor", erläutert Norbert Taubken, der die Kampagne seit kurzem in Deutschland vertritt und hauptberuflich als Unternehmensberater über seine Hamburger Firma CSR Consult für "Corporate Social Responsibility" wirbt. Laut dem ehemaligen Führungsmitarbeiter von AOL Deutschland ist für den "Schritt ins infotechnische Zeitalter" für die "Umsetzung von Gedanken in erfinderische Akte" ein breiter Patentschutz auch von Software erforderlich. Ein entsprechendes Kampagnenmanifest hätten 50 KMU-Vertreter unterzeichnet. Taubken hat in der hitzigen Debatte für und wider Softwarepatente "zwei komplett unterschiedliche Kulturen" ausgemacht, wobei auf der einen Seite die Erfinder und auf der anderen die Entwickler stünden. Die von letzteren befürchteten Patentdickichte, die das Programmieren um Softwarepatente herum zum Lauf über ein Minenfeld machen könnten, würde Taubken bei der Abwägung der Interessen beider Gruppen "als nachgeordneten Bereich sehen".

Die deutsche Initiative "Unternehmer gegen Softwarepatente" wehrt sich derweil gegen das verstärkt im Namen von "Mittelständlern" betriebene Konzernlobbying in Brüssel. Sie hat dazu eine von rund 500 KMU-Vertretern unterzeichnete Erklärung an alle deutschen EU-Abgeordneten geschickt. Die Unternehmer unterstreichen darin, dass kleine und mittelständische Unternehmen die aktuelle, der Position des Ministerrates angepasste Gesetzesvorlage aus dem Rechtsausschuss ablehnen und wesentliche Änderungen verlangen. Johannes Sommer, Mitgründer der Initiative, betont: "Wir wehren uns mit Entschiedenheit gegen die Vereinnahmung der angeblichen Mittelstandsposition durch konzerndominierte Verbände."

Mit ein Grund für die heftige Reaktion dürfte sein, dass neben der EICTA und der C4C ferner die Business Software Alliance (BSA) ein Herz für den Mittelstand entdeckt hat. So geht der Verband, dem Größen wie IBM, Intel oder Microsoft angehören, seit einigen Wochen mit einer Studie bei den EU-Abgeordneten hausieren, der zufolge kleine und mittelständische Unternehmen Inhaber jedes fünften beim Europäischen Patentamt angemeldeten Softwarepatents sind. EICTA-Präsident Mark McGann hatte kürzlich auf einer Veranstaltung in Brüssel zudem Zahlen präsentiert, wonach von den 6400 mittelständischen Firmen, in die europäische Wagniskapitalgeber 10 Milliarden Euro in den vergangenen vier Jahren gesteckt hätten, 60 Prozent ein Patent besäßen. Er erwähnte aber nicht, dass in dieser Statistik auch viele Biotech-Startups erfasst sind: Diese verfügen im Gegensatz zu ihren Pendants aus der Softwarewirtschaft fast zu 100 Prozent über Patente.

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)