Studie: Rennspiele beeinträchtigen Fahrverhalten nur wenig [Update]

Eine Studie der Musikhochschule Hannover im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen sieht lediglich einen geringen Einfluss von Rennspielen auf das Verhalten im Straßenverkehr.

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Schaut man sich die Eigenwerbung einiger Rennspiele an, so fragt man sich, warum Politik und Jugendschützer eigentlich nur Killerspiele im Visier haben. So bewirbt Electronic Arts das aktuelle Rennspiel Burnout Revenge für die PS2 und Xbox 360 auf der Verpackung mit markigen Sätzen wie "Verzeihen ist für Verlierer", "Nimms persönlich – verfolge und verhöhne deine Rivalen" und stellt im Handbuch klar: "Dein Wagen ist eine Waffe und deine Aggression das Maß deines Erfolgs." Die USK hat das Spiel ab 12 Jahren freigegeben.

Doch laut einer Studie des Instituts für Journalistik und Kommunikationsforschung in Hannover im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) seien solche Spiele harmlos und hätten lediglich einen geringen Einfluss auf das Verhalten der Spieler im Straßenverkehr. Die Kommunikationswissenschaftler untersuchten Transferprozesse zwischen der Spielwelt und dem realen Straßenverkehr. Während auf dem Bildschirm aggressives und riskantes Fahren belohnt sowie Unfälle spektakulär übertrieben und die Folgen verharmlost werden, steht auf dem realen Asphalt defensives Fahrverhalten zu Gebot. Jedoch konnte eine Befragung von über 1.100 jungen Fahrern und eine Studie mit Simulationsfahrten unmittelbar nach dem Konsum von Rennspielen einen Transferprozess nicht nachweisen.

Zwar lebten die Spieler am Computer Verhaltensweisen aus, die in der Realität verboten sind, erklärten die Forscher, aber nur Vielspieler führen unmittelbar nach dem Spielen geringfügig schneller und hielten einen etwas geringeren Sicherheitsabstand.

"Damit stellen Rennspiele grundsätzlich keine substanzielle Gefahr für die Verkehrssicherheit dar", folgert die Bundesanstalt für Straßenwesen. Ein Risikopotenzial könne lediglich für Einzelfälle und nach intensivem Rennspielkonsum angenommen werden. Der vermutete unmittelbare Zusammenhang von Rennspielnutzung und auffälligem Verkehrsverhalten könne laut der BASt folglich nicht bestätigt werden.

Schaut man sich Titel wie "Burnout Revenge" genauer an, so wird klar, was die Forscher meinen: Im Spiel gilt es, gegnerische Fahrzeuge möglichst spektakulär zu Schrott zu fahren. Um den Spieler schwirren viele zerbeulte Karosserie-Polygone, aus den Lautsprechern dröhnt laute Rock-Musik. Doch die gesamte Spielwelt wirkt künstlich, Autos lassen sich wie Plastikattrappen zur Seite schieben und fliegen unrealistisch übertrieben durch die Luft. Dies hat nichts mit einer glaubwürdigen Formel-1-Simulation zu tun. Folglich dürfte jedem klar sein, dass dies nicht in die Realität übertragbar ist.

Ob die Werbeabteilung von Electronic Arts der in letzter Zeit häufig in die Kritik geratenen Branche jedoch einen Gefallen damit erweist, das Spiel mit solch testosterontriefenden Sprüchen zu bewerben, ist zu bezweifeln. Mit Spielen wie "Burnout Revenge" konterkariert der weltweit führende Publisher für Computer- und Videospiele seine Bemühungen, als Sponsor von wissenschaftlichen Tagungen das Image von Computer- und Videospielen in der Öffentlichkeit aufzupolieren und darf sich folglich auch nicht wundern, wenn die Verbotsschreie von Politikern immer lauter werden.

Update: Inzwischen hat die BASt heise online eine Kopie der Studienergebnisse zukommen lassen, die weitere Informationen zur Methode und Auswertung liefert. So wurden die experimentellen Versuche mit 90 jungen Männern im Alter zwischen 18 und 24 Jahren durchgeführt, die in drei Gruppen aufgeteilt wurden. Die erste musste zunächst 15 Minuten "Need for Speed: Underground", die zweite 15 Minuten "Counter-Strike" spielen. Eine dritte Kontrollgruppe spielte gar kein Computerspiel. Im Anschluss mussten alle Versuchpersonen simulierte Autofahrten in einem Fahrsimulator F10P der Dr. Foerst AG durchführen. Der Simulator protokollierte dabei die Geschwindigkeit und Beschleunigung der Fahrzeuge, sowie den Abstand zum Vorausfahrenden. Dabei stellte sich heraus, dass die Gruppe, die zuvor "Need for Speed: Underground" gespielt hatte, schneller und mit geringerem Abstand fuhr als die Kontrollgruppe. "Ein kurzfristiger Effekt im Sinne einer erhöhten Motivation sportlich zu fahren und/oder einer verfehlten Geschwindigkeitseinschätzung und -anpassung nach Rennspielkonsum (sensomotorische Readaption), konnte nachgewiesen werden", heißt es im Bericht. Die Counter-Strike-Spieler fuhren hingegen langsamer und mit größerem Abstand als die Nichtspieler.

Das ursprüngliche Vorhaben, die Testfahrten im realen Straßenverkehr durchzuführen, wurde aus "forschungsethischen und -praktischen Grunden" verworfen. Genau genommen lässt der Versuchsaufbau deshalb keinerlei Aussagen über Transferprozesse zwischen Videospielen und dem realen Straßenverkehr zu, sondern lediglich über Transferprozesse vom Videospiel auf eine andere Simulationswelt. Auch die Spielzeit vor der Simulationsfahrt ist mit 15 Minuten äußerst knapp bemessen, um belastbare Aussagen über die Effekte von Computerspielen auf das Verhalten im Straßenverkehr treffen zu können.

Während des Studienzeitraums von drei Jahren fanden die Forscher lediglich einen Spieler, der Zugab, Fahrmannöver aus Need for Speed mit seinem eigenen Fahrzeug nachgestellt zu haben. Die Forscher sehen darin einen Einzelfall, der sich nicht auf die Allgenmeinheit der Computerspieler übertragen lässt. Laut der Studie sei das soziale Umfeld und die Grundeinstellung der Fahrer gegenüber Verkehrsregeln wesentlich relevanter für ihr Fahrverhalten als der Videospielkonsum. Videospiele könnten jedoch "als zusätzliches Vehikel zur gruppenweiten Ausweitung verkehrsbezogener Einstellungen" fungieren und somit Spieler beeinflussen, die bereits durch andere Faktoren vorbelastet sind, die zu einem risikobereiten Fahrverhalten führen können. (hag)