Dänische Regierung für gravierende Änderungen an der Softwarepatent-Richtlinie

In einem Brief an die Luxemburger Ratspräsidentschaft distanziert sich der dänische Wirtschaftsminister Bendt Bendtsen entschieden vom "Gemeinsamen Standpunkt" des EU-Rates.

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Im anhaltenden Streit um die geplante EU-Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" hat sich der dänische Wirtschaftsminister Bendt Bendtsen entschieden vom Vorschlag des EU-Rates distanziert. In einem Brief an seinen Ressortkollegen in der noch bis Ende des Monats die Ratspräsidentschaft innehabenden Luxemburger Regierung, Jeannot Krecké, sowie an den Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy spricht sich der Däne deutlich für die weit reichenden Änderungsvorschläge des Berichterstatters im EU-Parlament, des französischen Ex-Premiers Michel Rocard, aus.

Das Mitte Juni verfasste Dokument, das dem Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) zugespielt wurde, heise online vorliegt und mittlerweile auch im Web veröffentlicht wurde, ist brisant, weil der federführende Rechtsausschuss des Parlaments in seinen Empfehlungen für das Plenum zunächst gegen Rocards Kompromisspapier stimmte. Sollten die EU-Abgeordneten in der 2. Lesung der Direktive in der nächsten Woche trotzdem Teile der von Dänemark befürworteten Änderungen des französischen Sozialisten für gut heißen, müsste Bendtsen auch im sich anschließenden Vermittlungsverfahren mit dem Ministergremium das Parlamentsvotum voll unterstützen. Seine Strategie könnte jedoch auch sein, mit den zu Protokoll gegebenen Änderungswünschen einem Begräbnis der Richtlinie durch die EU-Kommission den Weg zu ebnen.

Mit dem Schreiben will Bendtsen generell die Haltung Dänemarks in punkto Softwarepatente verdeutlichen. Der dänische Minister hatte im Vorfeld der wackeligen offiziellen Verabschiedung des Standpunkts des Rates von seinem nationalen Parlament die Weisung bekommen, die bereits Monate zuvor im diplomatischen Kreis festgezurrte Position der Regierungsvertreter erst noch weiter zu verhandeln. Bendtsen fügte sich trotzdem den Spielregeln der Luxemburger und gab der damit abgenickten Linie allein eine abweichende Zusatzerklärung mit. Die darin zum Ausdruck gebrachten Ziele Dänemarks, keine Patente auf reine Software und auf Geschäftsmethoden zuzulassen sowie die Interoperabilität zu sichern, präzisiert der Däne nun in dem Brief.

"Wir brauchen klare Definitionen davon, was benötigt wird, um ein Patent zu erhalten", betont Bendtsen. Entsprechende Regeln müssten darauf abzielen, "dass wir in Europa nicht mit amerikanischen Verhältnissen enden". Der dänische Minister hält das von Rocard vorgeschlagene Konzept des Einbezugs der "Naturkräfte" zwar für "neu", obwohl beispielsweise der Bundesgerichtshof hierzulande bereits seit langem an dieser Definition festhält. Es entspreche aber trotzdem "komplett den dänischen Wünschen", setzt sich Bendtsen für die in Brüssel teilweise als "radikal" beurteilte Linie des Franzosen ein. Die "Informationsverarbeitung" an sich sollte nicht patentierbar sein, schließt sich der Däne auch der Ausschlussdefinition Rocards an. Bei der Einbettung in physikalische Produkte dürfte ein Patentanspruch aber nicht verwehrt werden. Voraussetzung dafür allgemein müsste "eine große Erfindungshöhe" sein.

Dänemark stimme zudem mit Rocard überein, dass "wir eine Klausel in den Richtlinienvorschlag einführen müssen, der einen unbegrenzten und einfachen Zugang zur Interoperabilität sichert". Dieser sei im Zweifelsfall auch gegen den Willen des Patenthalters zu gewährleisten. Es sei im Interesse der Gesellschaft, dass technische Kommunikationsprozesse nicht unnötig verhindert würden. Ein Hinweis auf das allgemeine Wettbewerbsrecht reiche dabei nicht aus. Generell spricht sich Bendtsen gemäß der Vorschläge des Dänischen Technikfolgenabschätzungsbüros für das Parlament für eine Reform des europäischen Patentsystems aus. Die "vagen Formulierungen" im Europäischen Patentübereinkommen hätten es dem Europäischen Patentamt ermöglicht, zu breite und triviale Patente zu vergeben. Dieser Zustand müsse korrigiert werden.

Das Bundesjustizministerium hierzulande hatte sich jüngst in einem Schreiben an die deutschen EU-Abgeordneten ebenfalls in die hitzige Auseinandersetzung um die Richtlinie eingeschaltet. Auch der deutschen Regierung liegt ein einstimmiger Beschluss des Bundestags vor mit der Aufforderung, sich in Brüssel nicht länger für die Ratsposition einzusetzen. Justizministerin Brigitte Zypries hielt dem Papier trotzdem in ihrem Brief prinzipiell die Stange und brachte allenfalls noch kleine Schönheitskorrekturen ins Spiel.

Zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente in Europa und die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)