BKA sieht "Löschen statt Sperren" von Kinderpornos weiter skeptisch

Bei einer Anhörung im Bundestag brach die Mehrzahl der Experten eine Lanze für das rasche Entfernen von Missbrauchsbildern an der Quelle, doch BKA-Chef Ziercke bezeichnete den Koalitionsansatz als Augenwischerei.

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Bei einer Anhörung des Bundestags am Montag sprach sich die Mehrzahl der Experten für das schnelle Löschen von Abbildungen sexuellen Missbrauchs an der Quelle aus. Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), zeigte sich jedoch weiter skeptisch angesichts des von der Regierung vereinbarten Ansatzes "Löschen statt Sperren". "Man sagt der Öffentlichkeit im Grunde etwas Falsches, wenn man sagt, wir löschen das Ganze", meinte der Behördenchef. Das klinge einfach, gestalte sich in der Realität aber komplexer: "Selbst wenn man glaubt, man hat die Seite, ist man noch längst nicht am Ziel."

Das BKA habe in den vergangenen Monaten "enorme Anstrengungen unternommen", um über Interpol und ausländische Polizeibehörden einschlägige Bilder im Internet löschen zu lassen. "Ich habe versucht, alle Lösungswege durchzudeklinieren", betonte Ziercke. So habe er etwa direkte Gespräche mit dem US-Justizministerium geführt, sei dabei aber "auf Unverständnis" gestoßen. Eine der Ursachen dafür sei, dass mit dem Löschen "FBI-Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, Anbieter zu ermitteln, gestört werden könnten".

Er bringe "keine positiven Nachrichten" mit, verwies Ziercke auf die mittlerweile offiziell veröffentlichten Statistik zu den polizeilichen Löschbemühungen des vergangenen Dreivierteljahres, laut der nach einer Woche durchschnittlich noch 44 Prozent der ins Ausland gemeldeten Fundstellen weiter verfügbar waren. Die Zahlen der Internetwirtschaft, die bei Direktkontakten mit ausländischen Provider eine Erfolgsquote von 98,6 Prozent meldeten, hält der BKA-Chef für nicht nachvollziehbar. Dabei sei nur um 24 Webseiten gegangen, während die Datenbasis beim BKA zwischen Januar und September gut 1400 Webangebote umfasse.

Ziercke wies Befürchtungen zurück, dass die Polizeibehörde nicht genügend Ressourcen zur Durchsetzung des Löschansatzes einsetze. Jeder eingehende Hinweis auf Kinderpornos "geht sofort raus bei uns". Später räumte er aber ein, dass man die Kooperation mit ausländischen Kollegen noch intensivieren und "mehr Personal hineinstecken" könnte. Über die genaue Zahl der in diesem Bereich tätigen Beamten hatte sich die Behörde bislang bedeckt gehalten.

In einer heise online vorliegenden Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken heißt es, dass das Referat "Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen" über 23,3 volle Stellen verfüge. Für den neuen "Lösch-Schwerpunkt" würden "6,3 Vollzeitäquivalente" eingesetzt. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) war kürzlich von 30 Mitarbeitern in dem Gesamtbereich ausgegangen, was ihr als "sehr wenig" erschienen war.

Oliver Süme vom Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) beteuerte, dass das Löschen "ein effektiver Ansatz" sei. Die besten Erfahrungen habe man bei einem Direktkontakt mit den Host-Providern gemacht. Aber auch in Ländern wie den USA, bei denen der Hotline-Verbund INHOPE zwischengeschaltet sei, seien 70 Prozent des einschlägigen Materials bereits innerhalb einer Woche entfernt worden. Im September habe man dort sogar 100 Prozent innerhalb von drei bis vier Tagen löschen können. Wichtig sei es dabei, werktäglich nachzubohren, was das BKA unterlasse: "Die dauerhafte ständige Überprüfung bringt uns nach vorne."

Auch der den Datenschutzverein FoeBuD vertretende Rechtsanwalt Thomas Stadler kritisierte Sperrlisten als "Frühwarnsystem für Pädophile und Verbreiter dieser Inhalte". Er plädierte für den Abschluss einer internationalen völkerrechtliche Vereinbarung. Damit sollte es jeder Unterzeichnerstaat ausländischen Polizeibehörden ausdrücklich gestatten, "formlose Löschungsaufforderungen an Provider zu schicken", damit nicht weiter der "langwierige Dienstweg" beschritten werden müsse. Zugleich müssten Hosting-Provider verpflichtet werden, "unverzüglich den Meldungen nachzukommen".

"Hartnäckigkeit zahlt sich aus", wusste Friedemann Schindler von jugendschutz.net über Löscherfolge etwa mit rechtsextremen oder jugendgefährdenden Inhalten im Netz zu berichten. Dafür müsse bei ausländischen Providern zunächst etwa mit dem Versand von Beispieldateien eine "Atmosphäre" hergestellt werden, damit diese "überhaupt reagieren". Wichtiger als über Löschen oder Sperren zu diskutieren sei eine "Gesamtstrategie", die auch das sogenannte "Grooming" - die sexuell motivierte Annäherung an Kinder im Internet – erfassen solle.

Alvar Freude vom Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur machte den Vorschlag, "teilautomatisiert zu prüfen", ob gemeldete Inhalte noch vorhanden seien. In die Datenbasis des BKA müssten ferner noch die Gründe aufgenommen werden, warum welche Materialien nicht gelöscht werden konnten, und wie of nachgehakt wurde. Für eine "sehr schnelle und effiziente Polizeiarbeit" und eine stärkere Täterverfolgung machte sich Lutz Donnerhacke vom Jenaer Provider IKS stark. Die vom BKA geforderte Vorratsdatenspeicherung sei in diesem Fall nicht nötig. (vbr)