Gewerkschaft ver.di fordert Warnhinweise für Copyright-Sünder

Die Arbeitnehmervertretung will gegen die "Alles-umsonst-Mentalität" im Internet vorgehen und spricht sich deshalb für eine Art Stoppschild-Mechanismus vor illegalen Angeboten und "maßvolle Ordnungsgelder" aus.

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Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di will im Interesse der von ihr mit vertretenen Kreativen gegen die "Alles-umsonst-Mentalität" im Internet vorgehen. Viele Nutzer würden den "freien" Zugang zu einem "reichhaltigen Angebot an Wissens- und Kulturgütern" im Netz mit "kostenfreien" Zugriffsmöglichkeiten gleichsetzen, schreibt der Bundesvorstand der Arbeitnehmervereinigung in einem jetzt vom Blog Netzpolitik.org veröffentlichten Positionspapier (PDF-Datei) über "Herausforderungen für die Zukunft des Urheberrechts". In der kürzlich verabschiedeten Stellungnahme heißt es weiter, dass dem Treiben der Nutzer etwa in Peer-2-Peer-Netzen vor allem "durch Aufklärung und Transparenz" begegnet werden solle. Im Zweifelsfall müssten aber auch Sanktionen greifen.

Der Bundesvorstand tut sich in Folge sichtlich schwer, ein System zur Erwiderung auf vielfältige Urheberrechtsverstöße im Internet und für Hinweise auf entsprechende Gefahren unter der Maßgabe zu entwickeln, "jede Form von anlassloser Kontrolle, Vorratsdatenspeicherung und Zugangsbeschränkungen" für die Bürger auszuschließen. "Ziel ist technische Instrumente zu finden, die es ermöglichen, dass beim Aufruf einer Seite mit illegalen Angeboten ohne Registrierung der Nutzer/innenn-IP auf dem Monitor eine ­ von dazu legitimierten Institutionen vorgeschalteter ­ Information über die Rechtswidrigkeit des Angebots und dessen Nutzung erscheint", umschreibt die ver.di-Spitze in einem Schachtelsatz ihre gewundene Haltung.

Weiter hält es der Bundesvorstand für angemessen, "nach anlassbezogener Kontrolle durch eine nicht gewinnorientiert und im Interesse der Urheber und Urheberinnen handelnde Einrichtung" Copyright-Sünder "nach einer richterlich angeordneten Herausgabe der entsprechenden Zugangsdaten mit einem maßvollen Ordnungsgeld zu belegen". Bei der Bemessung der Sanktionshöhe sei zwischen "gewerblichen und nichtgewerblichen Verstößen zu differenzieren". Die Strafzahlungen "sollten den Verwertungsgesellschaften zufließen" und an die Urheber ausgeschüttet werden. Insgesamt verfolgten diese Überlegungen das Ziel, "Auswüchse im derzeitigen Abmahnwesen einzudämmen".

Im Prinzip wünschen sich die Gewerkschaftler eine "HADOPI light", eine Aufsichtsbehörde fürs Netz, die im Gegensatz zu ihrer großen Schwester in Frankreich die Netzbürger aber nicht allzu sehr überwacht und vor allem keine Internetsperren nach dem "Three Strikes"-Modell verhängt. Stoppschilder ja, so die verkürzte Position, aber kein Zensursystem. Doch Experten melden Bedenken gegen die Durchführbarkeit dieses Ansatzes an. Um zu erkennen, dass jemand bestimmte Webseiten oder andere inkriminierte Internetangebote aufrufe, müsse trotz aller guten Wünsche der gesamte Datenverkehr überwacht werden, erklärte Alvar Freude vom Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur gegenüber dem Urheberrechtsportal iRights.info. Nur so könne festgestellt werden, "dass ein Nutzer tatsächlich eine Website aufruft, auf der rechtswidrige Inhalte angeboten werden". Auch eine Speicherung von Verbindungsdaten scheint nicht vermeidbar, falls auch festgestellt werden soll, dass einmal Ertappte Warnhinweise ignorieren und Urheberrechte wiederholt verletzten.

Generell wertet das Papier die "harmlos klingende" Bezeichnung "Tauschbörsen" als "grob irreführenden Begriff", da dort vervielfältigt werde. Die dafür nötige technische Infrastruktur stehe für ein "weltweites Vertriebssystem", dessen Betreiber Urheberrechte of "konsequent und vorsätzlich" verletzten, weil die Zahl der darüber verfügbaren Werkexemplare die der entgeltlich erworbenen deutlich übersteige. Die Konstruktion "dieser Einrichtungen" sei "nachgerade perfide": Betreiber selbst würden "nur" auf die Rechner Dritter verweisen, auf denen die gewünschten Dateien lägen. Damit werde die Verantwortung für das Ziehen und Anbieten von Kopien auf die "oft jugendlichen" Nutzer verlagert. Diese ahnten oft nicht, dass sie so zu "Schwarzhändlern" gemacht würden.

Skeptisch beäugen die Gewerkschaftler, die bereits im Frühjahr den Schulterschluss mit der Unterhaltungsindustrie übten, nicht zuletzt Modelle kostenloser Lizenzen wie Open Source oder Creative Commons. "Unentgeltliches gemeinwohlorientiertes Arbeiten, das nur in Ausnahmefällen neue existenzsichernde Einnahmequellen erschließt", könne für ver.di "keine Richtschnur" in der Tarif-, Vergütungs- und Netzpolitik sein, lautet die Ansage. Die genannten Lizenzvarianten basierten zwar im Prinzip auf einem "funktionierenden Urheberrecht". Letzteres sichere in seiner Reinform aber auch ab, "dass kein Dritter" sich ein geschütztes Werk "wild aneignen kann". In diesem Sinne lehnt die Gewerkschaft auch die Kulturflatrate als "untaugliches Instrument" ab. Mit der Einführung einer solchen Pauschalabgabe im Gegenzug für die "unbegrenzte private Nutzung von Werken" würde ihrer Ansicht nach "das Kernstück des Urheberrechts" vollständig ausgehebelt. Dieses besage, dass der Schöpfer allein bestimmen könne, "ob, wann und wie sein Werk veröffentlich wird". (jo)