FDP: Quick Freeze als "verfassungskonforme Alternative zur Vorratsdatenspeicherung"

Die FDP-Bundestagsfraktion hat Eckpunkte zur Verbesserung der Kriminalitätsbekämpfung im Internet verabschiedet. Weiter ausgebaut haben die Liberalen darin auch ihre Position zum "Löschen statt Sperren" von Kinderpornographie im Internet; Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ lehnt die FDP ab.

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Die FDP-Bundestagsfraktion hat "Eckpunkte zur Verbesserung der Kriminalitätsbekämpfung im Internet" verabschiedet. In dem heise online vorliegenden Papier mit dem Untertitel "Freiheit und Sicherheit bewahren" haben die Liberalen ihre Befürwortung des sogenannten "Quick Freeze"-Verfahrens im Vergleich zu einem früheren Entwurf deutlich untermauert und sehen dieses nun als "verfassungskonforme Alternative zur Vorratsdatenspeicherung". In Fällen, in denen Polizei und Staatsanwaltschaft Ermittlungen im Internet führen, sollen demnach Provider auf Basis einer neuen gesetzlichen Grundlage verpflichtet werden können, für einen speziellen Zeitraum "bestimmte und nach klaren Kriterien eng begrenzte Telekommunikationsverbindungsdaten mit Personenbezug unversehrt und kurzfristig zu puffern". Der Zugriff auf die eingefrorenen Informationen und deren Nutzung sei unter Richtervorbehalt zu stellen.

Insbesondere bei Ermittlungen in Foren, Tauschbörsen oder bei bekannten Angeboten im Web wegen schwerer und schwerster Kriminalität würden auf Basis der Strafprozessordnung (StPO) "schon heute erfolgreich für einen bestimmten Beobachtungs- und Ermittlungszeitraum solche Daten in strafprozessual zulässiger und verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise erhoben", heißt es in dem Konzept weiter. Um die Informationen den hinter IP-Adressen stehenden Personen zuordnen zu können, sei es notwendig, für den Ermittlungszeitraum auch solche Verbindungsdaten "kurzfristig" zu speichern, die ansonsten mangels Veranlassung von den Telekommunikationsanbietern bislang oft gelöscht würden. Eine kurze Vorhaltung sei praxisgerecht, da wegen der überwiegenden Nutzung pauschaler Zugangstarife auch die meisten Internetverbindungen mit temporärer IP-Adresse bis zu 24 Stunden lang aufrechterhalten würden. Ein schnelles Ermitteln der Strafverfolgungsbehörden ermögliche so "eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit ohne die Notwendigkeit einer Vorratsdatenspeicherung".

Den Anwendungsbereich von Quick Freeze will die FDP mit einem "einschlägigen abschließenden Straftatenkatalog" in der StPO umreißen. Darin seien vor allem "die im Internet am häufigsten vorkommenden Straftaten mit hohen Schäden" zu erfassen. Es müssten die gleichen Maßstäbe gelten "wie bei einer herkömmlichen Telekommunikationsüberwachung". Präventiv sollen die Präsidenten von Sicherheitsbehörden vor Gericht ein Einfrieren von Daten anordnen können, wenn tatsächliche Anhaltspunkte etwa "für eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes" bestehen. Für die Verfolgung beispielsweise von Betrugsstraftaten im Internet sowie für die Gefahrenabwehr im Übrigen wie auch für Ordnungswidrigkeiten reichten dagegen die bestehenden Abfragemöglichkeiten in Einzelfällen gemäß Telekommunikationsgesetz aus.

Weiter ausgebaut haben die Liberalen auch ihre Position zum "Löschen statt Sperren" von Kinderpornographie im Internet. So schlagen sie eine internationale, für Staaten verbindliche Vereinbarung vor, was unter dem Begriff kinderpornographische Inhalte verstanden wird und dass die Herstellung, Verbreitung oder das Zugänglichmachen dieser Inhalte unter Strafe gestellt wird. Es gebe zwar einen internationalen Konsens, dass die Verbreitung solcher Inhalte grundsätzlich strafbar sei, so die Begründung. Es bestünden aber "große Unterschiede etwa bei den einschlägigen Altersgrenzen der dargestellten Personen".

Jeder Staat soll den Polizeibehörden aller Vertragsländer ferner ausdrücklich erlauben, "formlose Hinweise an seine inländischen Hosting-Anbieter zu verschicken, wenn auf deren Servern kinderpornographische Inhalte zu finden sind". Zugleich würden die Ordnungshüter verpflichtet, das inkriminierte Material auch tatsächlich unverzüglich an die Provider zu melden. Die Anbieter selbst seien anzuhalten, den Hinweisen rasch nachzugehen, vorhandene Beweise zu sichern, Kinderpornos zu löschen und die nationale Zentralstelle zur Koordination der Strafverfolgung in diesem Bereich über die Entfernung der Inhalte zu informieren. Zudem sollen Erkenntnisse aus dem Vorgehen gegen Identitätsdiebstähle oder Phishing-Angriffe herangezogen werden, um auch die Geschwindigkeit bei der Abschaltung von Angeboten mit Darstellungen von Kindesmissbrauch mit ausländischen Server-Standorten zu erhöhen.

Auf Konfrontationskurs zum Koalitionspartner CDU/CSU befindet sich die FDP auch nach wie vor beim Einsatz des Bundestrojaners und der technisch ähnlich ablaufenden Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ). Heimliche Online-Durchsuchungen betrachten die Liberalen solange als "unverhältnismäßig, wie ein überzeugender Nachweis der Notwendigkeit eines derart schwerwiegenden Grundrechtseingriffs nicht erbracht ist". Die FDP habe dieses Instrument bereits im Zuge der Novellierung des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA) abgelehnt. Eine etwaige Ausweitung der Maßnahme auf andere Bereiche komme für sie daher nicht in Frage. Vielmehr müsse die Ausstattung der Sicherheitsbehörden so gestaltet werden, dass diese von den bestehenden Befugnissen zur Untersuchung beschlagnahmter Rechner auch effektiv Gebrauch machen könnten.

Die Quellen-TKÜ, bei der ein Abhörprogramm auf einem damit infizierten Rechner Daten laufender Kommunikationsvorgänge vor einer Verschlüsselung beziehungsweise nach einer Entschlüsselung abgreifen soll, lehnt die FDP-Fraktion ebenfalls weiter ab. Sie fürchtet, dass dabei unzulässigerweise regelmäßig auch Informationen erfasst werden, die noch nicht oder nicht mehr Gegenstand laufender Telekommunikation seien. Stattdessen müssten "andere technische Mittel gefunden werden, um neue Kommunikationsformen in den elektronischen Medien zu überwachen, ohne dabei in die Rechner der Betroffenen einzugreifen". Neue entsprechende Lösungen solle das vor Kurzem eingerichtete, nicht unumstrittene "Kompetenzzentrum TKÜ" beim Bundesverwaltungsamt erarbeiten. Nicht zuletzt enthält das Papier Vorschläge für die "Ausweitung von Ermittlungen in schwer zugänglichen Bereichen des Internets" mithilfe auch verdeckter Ermittler sowie zur "verdachtsgestützten Überprüfung der Zahlungsströme im Online-Bereich" etwa durch eine gezielte Abfrage von Kreditkartendaten. Datenschutzverstöße sollen "mit der angemessenen Härte des Gesetzes geahndet werden". (jk)