Der PC auf jedem Schreibtisch
Am Wochenende wurde Windows 25 Jahre alt. Was man auch immer von Microsoft halten mag: Bill Gates' Visionen wurden Wirklichkeit.
Es ist schon merkwürdig. Immer wenn ich eine Episode der (höchst empfehlenswerten) Serie "Mad Men" ansehe, die in den 60er Jahren spielt, fällt mir im Augenwinkel auf, dass in den Büros der Protagonisten etwas für die heutige Zeit Entscheidendes fehlt. Sie haben es erraten: Es ist der PC. Niemand hat einen Computer, denn damals waren sie noch in ganze Häuser verbannt. Stattdessen arbeitete man mit Papier und Bleistift, mit Lineal und Grafikertisch, und, wenn's hochkam, vielleicht mit einer elektrischen Schreibmaschine, die mancher Sekretärin mächtig Angst einflößte.
Heutzutage ist der Schreibtischarbeitsplatz, der ohne Rechner auskommen muss, die absolute Ausnahme. Im Gegenteil ist es zu einer Art Privileg geworden, keinen PC benutzen zu müssen: In noblen Managerbüros steht die Kiste dann womöglich nicht direkt auf dem "Main Desk", sondern verschämt nach hinten verlagert vor der Fensterbank. Doch auch diese Büros werden weniger, Top-Firmenlenker und Politiker verfügen mindestens über einen Blackberry und (seit neuestem gerne) ein iPad.
Was ich mich dabei gerne frage: Was haben die Menschen ohne PC wohl den ganzen Tag gemacht? Ohne die Universalmaschine, die uns Texte schreiben, Tabellen berechnen und – massiv beschleunigt – kommunizieren lässt sowie mit Unterhaltung versorgt? Wie wäre ein Büro ohne Solitaire, ohne den regelmäßigen Blick in irgendwelche Klatschblogs oder auf "Spiegel Online"? Unvorstellbar. (Was das alles für die Produktivität bedeutet, will ich an dieser Stelle gar nicht berechnen.)
Kürzlich studierte ich in der "New York Times" einen interessanten Artikel über eine Schule im Silicon Valley, wo die Lehrer zunächst versucht hatten, ein Smartphone-Verbot durchzusetzen. Der Direktor konnte keine zwei Meter gehen, ohne 30 Geräte zu konfiszieren. Die Stimmung im Lerninstitut verschlechterte sich immens, was letztlich dazu führte, dass die Politik aufgegeben wurde. Mittlerweile versucht die Schule, die Geräte in den Unterricht einzubeziehen und hat sogar Geld für die Anschaffung zahlloser Tablet-Rechner eingeworben. Ob das die Schülerkonzentration wohl erhöht?
Der PC ist im Büro auch etwas wie unsere virtuelle Schmusedecke. Er wärmt uns und sorgt dafür, dass wir den Kontakt zur Außenwelt nicht verlieren. Vor 25 Jahren kam die erste Version von Windows heraus, das keinen kleinen Anteil an jener "Ein PC auf jedem Schreibtisch"-Strategie von Microsoft-Boss William H. Gates III haben sollte. Gratulation, das hast Du geschafft, Bill. Und doch sehne ich mich mittlerweile und mit zunehmendem Alter danach, öfter auch mal abzuschalten. Einfach nur Nachdenken ohne Input aus der Kiste. Das ist heutzutage kaum mehr möglich. Zu Zeiten von "Mad Men" ging das noch. Aber da gab es dann auch ganz andere Ablenkungen. (bsc)