Datenschützer sieht verfassungsrechtliche Mängel im Gesetz zur Anti-Terror-Datei

Schleswig-Holsteins Datenschützer Thilo Weichert sieht "schwerwiegende handwerkliche Mängel" in dem Entwurf, der morgen im Bundesrat zur Debatte steht.

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Bevor sich am morgigen Freitag der Bundesrat mit der Einrichtung einer so genannten Anti-Terror-Datei befasst (Erläuterung als PDF-Datei), hat sich der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holsteins noch einmal zu dem Thema zu Wort gemeldet. Thilo Weichert weist in einer Stellungnahme gegenüber dem Innenminister des Landes, Ralf Stegner, auf seines Erachtens "schwerwiegende handwerkliche und verfassungsrechtliche Mängel" hin. Es handele sich um ein "Gesetz, das kaum jemand verstehen kann", es erlaube eine "monströse Datenverarbeitung für eine unübersichtliche Menge von Sicherheitsbehörden, mit dem jeder, der aus irgendwelchen Gründen mit Terrorismus in Verbindung gebracht wird, bundesweit zum 'Outlaw' erklärt wird".

Der "Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder", kurz Gemeinsame-Dateien-Gesetz (PDF-Datei), sieht die Einrichtung einer gemeinsamen, zentralen und standardisierten Anti-Terror-Datei von Bundeskriminalamt (BKA), der Bundespolizeidirektion, der Landeskriminalämter, der Verfassungsschutzbehörden, des Militärischen Abschirmdienstes, des Bundesnachrichtendienstes und des Zollkriminalamtes vor. Diese soll unter der Obhut des BKA geführt werden. In ihr sollen unter anderem Daten über Personen gespeichert werden, die einer terroristischen Vereinigung angehören oder diese unterstützen. Dazu kommen solche Personen, bei denen "tatsächliche Anhaltspunkte" die Annahme begründen, dass sie mit solchen Personen in Verbindung stehen.

Das Gesetz soll noch in diesem Jahr die Grundlage für die Einrichtung der Datei schaffen. Die Bundesregierung sieht darin "angesichts der Bedrohungslage einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus", wie Bundeskanzlerin Angela Merkel zu dem Entwurf schreibt. Weichert meint hingegen, es werde ein unkontrollierter Datenpool geschaffen, "der den Sicherheitsbehörden zwar viele Informationen liefert, aber keine gesicherten Fakten". Kombiniert mit weiteren Gesetzentwürfen zur Terrorismusbekämpfung wie dem Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz des Bundes oder die Novellierung des Polizeirechts in Schleswig-Holstein könne der Bürger als potenzieller Terrorist heimlich erfasst und zum "Objekt der Begierde" aller Polizeien und Nachrichtendienste gemacht werden, denn "irgendwie sind wir alle 'Kontaktpersonen'", meint Weichert.

Für ihn verfassungsrechtlich bedenklich ist die "neue Qualität des Datenaustausches zwischen Nachrichtendiensten und Polizeibehörden". Sie sei insbesondere mit dem verfassungsrechtlichen Trennungsgebot nicht zu vereinbaren. "Das Trennungsgebot setzt neben einer organisatorischen Trennung eine informationelle Trennung voraus, die die Möglichkeit eines Informationsverbundes erheblich eingrenzt", schreibt der Datenschützer in seiner Stellungnahme.

Neben dem Gesetz zur Anti-Terror-Datei steht auf der Tagesordnung des Bundesrats für morgen unter anderem auch der Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes zur Bekämpfung der Computerkriminalität an und eine Verordnung zur Einführung dauerhafter Identifikationsnummern in Besteuerungsverfahren. Die Anti-Terror-Datei wird seit dem ersten Gesetzentwurf vor gut einem Jahr kritisiert, zuletzt auch auf der 72. Bundeskonferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder.

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