Hartz IV-Software: Bug oder Feature?

Die webbasierte Software A2ll löscht selbstständig unvollständige Datensätze. Die mit der Bearbeitung von Alg-II-Anträgen zuständigen Fallmanager sind beunruhigt.

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Von
  • Detlef Borchers

Die mit der Bearbeitung von Anträgen auf Bewilligung des Arbeitslosengelds II (Alg-II) befassten Fallmanager sind beunruhigt, dass die webbasierte Software A2ll unvollständige Datensätze von sich aus löscht. Von der Löschung sollen Datensätze betroffen sein, bei denen die Falldaten eines Antrages eingegeben und die Leistungen berechnet werden, bei denen aber die kassentechnische Anordnung (Abschluss des Falles) nicht erfolgt. Solche aus der Sicht der Software unvollständigen Datensätze sollen nach zwei bis drei Wochen vom System gelöscht werden. Sowohl im internen Forum der A2ll-Nutzer wie in öffentlichen Foren von künftigen Alg-II-Beziehern wird nun darüber diskutiert, ob diese Form eines Garbage Collectors ein Fehler oder ein sinnvolles Feature ist.

Schließlich zwingt die vermutete Löschung Sachbearbeiter wie Antragsteller dazu, möglichst vollständige Daten einzugeben oder vorzulegen, so der Tenor. Eine Minderheitenmeinung deutet an, dass mit den möglichen Löschungen die Personen bestraft werden, die frühzeitig ihre Anträge abgegeben, aber nicht alle Fragen im 16-seitigen Fragebogen beantwortet haben. Unter den Betroffenen stößt die Nachricht von möglichen Löschungen angesichts knapper Zeitvorgaben auf Unverständnis. Zum Start der Software wurde angegeben, dass ein Antrag in einer Stunde in das System eingepflegt werden kann. Nach Darstellung der Bundesagentur für Arbeit sind keine Datensätze gelöscht worden. "Es gibt einen solchen Fehler nicht. Es liegt keine derartige Fehlermeldung vor. Die Kommentare in den Internet-Foren entsprechen nicht der Realität", sagte ein Sprecher von T-Systems, einer der Entwickler der Software A2ll.

Unterdessen hat Wirtschaftsminister Wolfgang Clement einen Ombudsrat berufen, der sich zunächst ein Jahr lang um die "Sorgen und Nöte" der Antragsteller kümmern soll. Das Gremium ist mit dem ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU), der ehemaligen Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) und dem ehemaligen IG-Chemie-Vorsitzenden Hermann Rappe prominent besetzt und agiert außerhalb der regulären Widerspruchs- und Klageverfahren. "Der Rat soll Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung des Verwaltungshandelns und der gesetzlichen Regelungen (SGB II) ziehen und entsprechende Empfehlungen geben", heißt es im Wirtschaftsministerium. Für den Ombudsrat wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die unter www.ombudsrat.de auch im Internet erreichbar sein soll. Derzeit ist unter dieser Adresse noch die Firma Init erreichbar, die das interne Netzwerk der Fallmanager betreut. Die unverbindliche Arbeit des Ombudsrates wird von der dort nicht vertretenen FDP als mögliche Verschwendung von Haushaltsmitteln kritisiert.

Neben der Einführung des Ombudsrates hat das Wirtschaftsministerium gestern beschlossen, die Informationskampagne über Hartz IV und das Alg-II weiter fortzusetzen. Der Reformprozess verlange ständig nach Information, Klärung und Motivation und erfordere ein Umdenken in vielen Teilen der Gesellschaft, nicht nur bei Betroffenen, sondern auch bei Verbänden, Unternehmen und Verwaltung, erklärte eine Sprecherin in Berlin. Bisher hat die Informationskampagne 2,8 Millionen Euro gekostet. Im nächsten Jahr sollen rund 11 Millionen Euro in die Kampagne fließen. Für diese Summe sollen neue Plakate und Broschüren gestaltet werden und vor allem ein aktuelles Internet-Portal für alle Betroffenen errichtet werden. Die Eil-Ausschreibung zur Kampagne endete am Mittwochabend, als Favorit gilt die Firma Ahrens&Bimboes, die das unlängst gestartete Internet-Angebot TeamArbeit für Deutschland entwickelt hat.

Siehe zu dem Thema auch:

(Detlef Borchers) / (anw)