"Netzneutralität": Die Debatte über offene Netzinfrastrukturen wird hitzig

Die drohende Abkehr vom Prinzip des offenen, diskriminierungsfreien Netzzugangs für Anbieter erhitzt derzeit die Gemüter in den USA. Die Debatte um die so genannte Netzneutralität dringt mit Vorstößen der Telekom aber auch bereits nach Deutschland vor.

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Von
  • Monika Ermert

Die drohende Abkehr vom Prinzip des offenen, diskriminierungsfreien Netzzugangs für Anbieter erhitzt derzeit die Gemüter in den USA. Die Debatte dringt mit ersten Vorstößen von Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke aber auch bereits nach Deutschland vor. Und die Diskussion um die so genannte Netzneutralität beschäftigt seit dem gestrigen Montag die Teilnehmer der von Voice-over-IP-Pionier Jeff Pulver und Internetökonomie-Experte David Isenberg gesponserten Freedom2Connect-Konferenz. Gleich mehrere Anhörungen vor dem Senat und dem Kongress beschäftigen sich diese Woche im Rahmen neuer Telekommunikationsgesetzesvorschläge ebenfalls mit dem Thema "net neutrality" und stellen dabei die Weichen für die Zukunft des Netzes.

Angesichts der Behinderung oder Blockierung von VoIP-Diensten durch große Carrier rufen die Teilnehmer der F2K-Konferenz zu massiver Gegenwehr auf. Auch die Idee, dass Anbieter wie Google dafür zu bezahlen haben, um vom Netz eines Carriers aus erreichbar zu bleiben, stößt auf Widerstand. Der Chef des Center for Digital Democracy, Jeff Chester, sagte, eine Reihe großer Carrier planten, eine Version des Internets umzusetzen, das stärker an den klassischen Rundfunk erinnere. "Daher ist es Zeit, aufzustehen und zu kämpfen."

Unterstützung für ein wettbewerbsoffenes Netz kam auch von Seiten der Aufsichtsbehörde Federal Communication Commission (FCC). Michael Copps, Kommissar der FCC, warnte vor "Zollbrücken zur Breitbandwelt", die den Zugang zu Diensten wie VoIP und zu Video- oder Musikangeboten erschwerten. "Wenn wir nicht aufpassen, übersehen wir die Zeichen, dass es Gefahren für die Offenheit [des Netzes] gibt", sagte Copps. Der FCC würde durch eines der vorgeschlagenen Gesetze die Hände gebunden, gegen die Diskriminierung bestimmter Services vorzugehen. Copps sieht auch Gefahren durch eine zunehmende Konzentration. "Je stärker die Konzentration der Anlagen in der Hand weniger ist, desto mehr werden sie als Internet-Gatekeeper wirken können, die die Datenströme und Geschwindigkeit des Netzverkehrs beeinflussen und vielleicht sogar diktieren, wer das Internet wofür benutzt."

Die Netzinfrastruktur müsse aber eben so offen bleiben wie die Verkehrsinfrastruktur, sagte Ben Scott, Policy-Direktor bei Free Press. Große Carrier pochen dagegen darauf, dass sie ihre Investitionen in die Netzwerke der nächsten Generation refinanzieren müssen. Als besondere Gefahr bezeichnete Tim Wu von der Columbia Law School neben der Blockierung von Diensten die Privilegierung eigener Angebote der Carrier und den Verlust an Transparenz, wie das Netz eigentlich funktioniert.

Gewarnt hatte angesichts der Debatten in der vergangenen Woche auch WWW-Erfinder Tim Berners-Lee in einem Interview mit dem Toronto Star. Darin hatte Berners-Lee gesagt, es sei eben nicht mehr das Internet, wie wir es heute kennen, wenn ein Video-Download-Service dafür bezahle, eine bestimmte Kundengruppe bei einem bestimmten Kabelnetzanbieter zu versorgen. Das Zusammenbinden verschiedener Dienste führe auf eine schiefe Bahn. Das ultimative Horrorszenario ist es für den WWW-Vater, wenn Computer subventioniert an Kunden abgegeben werden, um sie gleich mit einem bestimmten Betriebssystem, Browser und eingebauten Internetzugang zu versorgen und damit auch bestimmte Produkte an den Mann zu bringen.

Siehe zur Debatte um die Netzneutralität auch:

(Monika Ermert) / (jk)