Cryptome-Betreiber kritisiert Wikileaks

John Young, der seit 14 Jahren auf seiner eigenen Seite Geheimdokumente veröffentlicht, sieht in Julian Assanges Projekt zu viel Effekthascherei.

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Von
  • Gordon Bolduan

Unter anderem mit der Veröffentlichung von US-amerikanischen Diplomatendepeschen hat Wikileaks Weltruhm erlangt. Zuvor hat aber bereits die Plattform Cryptome im gleichen Metier für Furore gesorgt – und zwar seit über 14 Jahren. Sie machte unter anderem unzensierte Fotos von im Irak-Krieg getöteten US-Soldaten online verfügbar und enttarnte mutmaßliche Spione des englischen Auslandsgeheimdienstes MI6.

Betreiber von Cryptome ist John Young, 74 Jahre alt und eigentlich Architekt von Beruf. Im Interview mit Technology Review sprach er nun über das Geschäft mit Geheimunterlagen, Wikileaks-Gründer Julian Assange und die Anfänge und die Zukunft der Dokumentenplattformen. Mit Assange hatte Young schon früh zu tun: "Bevor Wikileaks öffentlich bekannt wurde, fragte man mich, ob ich die Webseite auf meinen Namen registrieren könnte. Sie brauchten jemanden mit einem realen Namen und Adresse, da sie nicht identifizierbar sein wollten." Er habe zugestimmt, weil ihm die Idee der Plattform gefiel.

Heute sieht er Wikileaks dagegen kritisch – es operiere als eine Art Wirtschaftsunternehmen und verdiene an seinen Dokumenten. Assange habe "dieses Charisma entwickelt, um Leute dazu zu bringen, für ihn umsonst zu arbeiten und ihm Geld zu geben". Er sei "ein sehr effektiver Promoter seines Geschäfts". Auch sei die Präsentation auf maximale Medienpräsenz ausgelegt.

Plattformen wie Openleaks gefallen Young dagegen besser. "Hinter dieser Webseite stehen diejenigen, die sich von Wikileaks losgesagt haben. Sie werden sich lediglich auf das Weiterleiten von Informationen beschränken. Das ist ein Ansatz, der immer mehr angenommen wird: Man braucht nicht den Wert der Information aufzublähen." Auch Cryptome veröffentliche lediglich Dokumente und lasse den Leser selbst entscheiden, ob sie wahr, erfunden oder eine Falle von Regierungsagenten seien.

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(bsc)