Urheberrecht: Rechteinhaber wollen Auskunft von Providern ohne Richterbeschluss

Bislang ist beim geplanten zivilrechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber Internet-Providern bei Urheberrechtsverletzungen ein Richtervorbehalt vorgesehen. Dieser soll fallen, forderten Vertreter verschiedener Verbände von Rechteinhabern.

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Von
  • Monika Ermert

Der Richtervorbehalt beim geplanten zivilrechtlichen Auskunftsanspruch von Urheberrechtsinhabern und -verwertern gegenüber Internet-Providern soll fallen. Das forderten bei einer Veranstaltung des Instituts für Urheber- und Medienrecht in München Vertreter verschiedener Verbände von Rechteinhabern. Im Rahmen der weiteren Novellierung des Urheberrechts und der Umsetzung der heftig umstrittenen EU-Richtlinie zur Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte sollen hierzulande auch indirekt an Rechtsverletzungen beteiligte Dritte verpflichtet werden, die Identität von Verdächtigen preiszugeben. Die Schaffung eines solchen Auskunftsanspruchs etwa gegen Internetprovider gehört seit langem zu einem der am heftigsten umkämpften Punkte bei der Anpassung des Urheberrechts an die digitale Gesellschaft. Das Gesetzesvorhaben soll es Konzernen etwa aus der Musik- und Filmindustrie einfacher möglich machen, in zivilrechtlichen Verfahren gegen illegales Filesharing vorzugehen.

"Die Erteilung der Auskunft nur mit Richtervorbehalt ist in der EU-Direktive [zur Durchsetzung des geistigen Eigentums] nicht zwingend vorgesehen," sagte nun Peter Zombik, Geschäftsführer der Deutschen Landsgruppe der IFPI, des Verbands der phonographischen Industrie. Zombik meinte, der vom Justizministerium vorgelegte Referentenentwurf werde die Verfolgung von Rechtsverletzung nicht erleichtern. Vielmehr ließen die Bindung an den Vorbehalt und offene Fragen bei der Datenspeicherung "das Schlimmste befürchten". Die Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten müsse rasch umgesetzt und die so gespeicherten Daten dann auch für die zivilrechtlichen Auskunftsansprüche verfügbar gemacht werden.

Genau wegen solcher Begehrlichkeiten der Medienindustrie hatten unter anderem die europäischen Datenschützer Bedenken angemeldet. Und Hannes Federrath vom Lehrstuhl "Management der Informationssicherheit" an der Universität Regensburg schrieb den Vertretern der Rechteinhaber auf der Münchener Veranstaltung ins Stammbuch: "Was Sie hier verlangen, das bekommen nicht einmal diejenigen, die die Konsumenten von Kinderpornographie verfolgen."

Zombik und seine Kollegen aus dem Bereich der Film- und Musikindustrie wehren sich allerdings sogar gegen die Beschränkung der Auskunftspflichten auf "Piraterie" im "gewerblichen" Ausmaß. Dies werde die Verfolgung von Tauschbörsennutzern unmöglich machen; eine solche gewerbliche Nutzung sei gerade bei der Verwendung dynamischer IP-Adressen schwer nachweisbar. Thilo Gerlach, Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL), betonte, die Anforderung, nach der eine gewerbliche Nutzung gegeben sein müsse, passe überhaupt nicht zu dem eigentlichen Ziel, das man mit dem Auskunftsanspruch erreichen wolle. Bei den Tauschbörsen gehe es ja gerade um die Nutzungsintensität, nicht um den gewerblichen Charakter. "Für den Rechteinhaber ist es doch egal, ob eine Million Nutzer eine Datei anbieten oder einer eine Million Dateien", sagte einer der anwesenden Anwälte. Durch den Anspruch der "Gewerblichkeit" komme die im Gesetzentwurf für die weitere Urheberrechtsnovellierung gekippte Bagatellklausel für private Kopien aus illegalen Quellen durch die Hintertür wieder.

Nicht in der EU-Richtlinie enthalten sei die vom Justizministerium als weiteres Kriterium eingeführte Bestimmung, Rechtsverletzung müsse "offensichtlich" sein, kritisierte Volker Kitz, Telekommunikationsexperte beim IT-Branchenverband Bitkom. Die Provider seien naturgemäß an ganz klaren Regelungen interessiert, ein großer Interpretationsspielraum bedeute für sie ein juristisches Risiko. Kitz, der das gemeinsame Interesse von Rechteinhabern und Providern an rechtmäßigen Angeboten hervorhob, betonte auch, dass Provider aufgrund der Haftungsprivilegierung der EU-E-Commerce-Richtlinie nicht dafür verantwortlich gemacht werden dürften, was Dritte in ihren Netzen tun. Das bedeute auch, dass ihnen keine Kosten und kein Klagerisiko aufgebürdet werden dürften. Die Kosten für die Auskünfte bei Urheberrechtsverletzungen müssten vielmehr zuerst einmal die Rechteinhaber übernehmen. Anschließend könnten sie sich ja an den Rechtsverletzer halten. Eine solche Regelung diene auch als "Korrektiv", da nur solche Verfahren angestrengt würden, die die Rechteinhaber für aussichtsreich hielten.

Keinen leichten Stand hatte Franziska Raabe, Referentin im Bundesministerium der Justiz, die die Bestimmungen über Richtervorbehalt, Gewerblichkeit und die "Offensichtlichkeit" des Urheberrechtsverstoßes verteidigte. Der Richtervorbehalt sei verfassungsrechtlich geboten, lautete ihre Begründung. "Die Verfassungsrechtler im Ministerium sehen in der Auskunftspflicht einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis", betonte Raabe. Da also eine schwierige Abwägung gemacht werden müsse, habe man sich für den Richtervorbehalt entschieden: Erst wenn ein Richter grünes Licht gegeben habe, dürften Rechteinhaber oder deren Vertreter wie die IFPI vom Provider verlangen, dass er die Bestandsdaten – also Name und Adresse – eines Kunden herausgibt, der zu einer bestimmten Uhrzeit unter einer bestimmten IP-Adresse im Netz unterwegs war und dem Verstöße gegen das Urheberrecht vorgeworfen werden.

Angesichts der massiven Kritik der Industrie ruderte Raabe allerdings vorsichtig zurück: "Wir befinden uns ja noch in einem Diskussionsprozess, der Entwurf ist noch nicht in Stein gemeißelt." Er werde wohl auch so nicht ins Kabinett gehen. Das Kriterium der Gewerblichkeit sei allerdings ein Ausdruck der Verhältnismäßigkeit – "und die wird bestimmt nicht aus dem Entwurf verschwinden."

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Monika Ermert) / (jk)