IT-Verbund lehnt Denkmodell zum Verkauf von Personalausweisdaten ab

Die Gesellschaft für Informatik wendet sich scharf gegen Überlegungen des Bundesinnenministeriums, im Rahmen der Umrüstung auf den elektronischen Personalausweis der Wirtschaft Zugriff auch auf biometrische Daten zu geben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 471 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Die Gesellschaft für Informatik (GI) wendet sich scharf gegen Überlegungen des Bundesinnenministeriums (BMI), im Rahmen der Umrüstung auf den elektronischen Personalausweis der Wirtschaft Zugriff auch auf biometrische Daten zu geben. Der Verein lehnt Gedankenspiele ab, die Einführung des neuen Identitätsdokuments durch den Verkauf der auf der zukünftigen elektronischen Variante gespeicherten Informationen an Unternehmen zu finanzieren, heißt es in einer am heutigen Dienstag verbreiteten Erklärung. "Wer die Daten des E-Personalausweises auswertet, ist in der Lage, Bürger informationell und auch gesundheitlich zu durchleuchten", warnt die GI. "Die Kombination des Namens und der Anschrift mit biometrischen Merkmalen führt zu Auswertungs- und Überwachungsmöglichkeiten, die nicht mehr transparent sind".

Die Kritik des Vereins geht zurück auf Gerüchte über das Vorhaben und eine Erklärung des Bundesinnenministeriums, dass die Veräußerung der sensiblen personenbezogenen Daten aus dem E-Ausweis auf dem freien Markt lediglich ein "Denkmodell" darstelle. Es sei im Zuge der Überarbeitung der gesetzlichen Grundlagen für den Personalausweis mit in die Machbarkeitsdiskussion einbezogen worden. "Wenn entsprechende Vorschläge erst auf dem Tisch sind, wird man sie nur noch schwer wieder los", begründete Hartmut Pohl, Sprecher des GI-Arbeitskreises "Datenschutz und IT-Sicherheit", die Vereinsstellungnahme gegenüber heise online. Die Kosten für elektronische Ausweisdokumente, die mit RFID-Chips und biometrischen Daten aufgerüstet werden, seien nun einmal hoch. In anderen europäischen Ländern würden sich die Schätzungen bei einem Stückpreis in Höhe zwischen 150 und 300 Euro bewegen. "Wenn die Produktion hierzulande wirklich billiger wäre, müsste die Bundesregierung keine Notwendigkeit zum Verkauf prüfen", gibt Pohl zu bedenken. Die Gebühr in Höhe von 59 Euro, welche die Bürger für den seit Herbst ausgegebenen neuen E-Pass berappen müssen, hält er somit nicht für kostendeckend.

Der E-Personalausweis, der von 2008 an ausgegeben werden soll, werde gemäß den aktuellen Planungen des Innenministeriums neben Unterschrift, Fingerabdrücken und Gesichtsbild auch "andere biometrische Daten" enthalten, betont die GI. Biometrische Daten wie Fingerabdruck, Iris und Gendaten könnten aber Aussagen gestatten etwa über Gesundheitszustand, Anlagen zu Süchten und Erbkrankheiten bis hin zu Informationen über die relative Lebenserwartung und die sexuelle Orientierung. Der diskutierte Verkauf der Daten käme für Pohl damit einem Horrorszenario gleich: Es kann seiner Ansicht nach "nicht Aufgabe der Regierung eines demokratisch verfassten Staates sein, Interessierten einen vollständigen und nicht mehr beherrschbaren Zugriff auf personenbezogene Daten seiner Bürger zu ermöglichen oder auch nur zu erleichtern". Besonders problematisch dabei sei, dass die potenzielle Verwertung der Informationen über die Ausweisinhaber durch Dritte dem Denkmodell zufolge ungefragt erfolgen solle.

Zum aktuellen Planungsstand bei E-Personalausweis führte BMI-Sprecherin Annette Ziesig gegenüber heise online aus, dass es nach wie vor nur "eine grobe Skizze" gebe. In den Ende 2001 beschlossenen Anti-Terrorgesetzen sei bereits verankert, dass in das Ausweisdokument biometrische Daten an sich mit eingebaut werden können. Die Details müssten aber noch festgelegt werden. Insbesondere sei daran gedacht, nicht nur die Identitätsfeststellung zu verbessern, sondern auch die Online-Authentifizierung im Internet gegenüber Behörden oder Unternehmen mithilfe elektronischer Signaturen. Durch die damit unterstützten neuen elektronischen Modelle in den Bereichen E-Government und E-Commerce würden auch für die Wirtschaft Kostenvorteile entstehen. In diesem Rahmen böte es sich an, die von den Prozessen Profitierenden an den Kosten zu beteiligen. Das Auslesen und Verwenden der Daten aus dem E-Personalausweis müsste aber auf jeden Fall "zweckgebunden" erfolgen.

Zur Einführung des ePasses und den Auseinandersetzungen um Ausweise mit digitalisierten biometrischen Merkmalen siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online sowie in c't, Technology Review und Telepolis):

(Stefan Krempl) / (jk)