Riskante Vernetzung
Wer sorglos während der Arbeitszeit in sozialen Netzwerken unterwegs ist, kann Anlass zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen geben – bis hin zur Entlassung. Probleme ergeben sich auch dann, wenn bei Web-2.0-Aktivitäten private und berufliche Nutzung zusammenfallen.
Ein interessanter Link bei Twitter, eine kurze private Nachricht in Facebook oder eine Kontaktbestätigung bei XING: Die Verführung zur privaten Kontaktpflege in sozialen Netzwerken lockt tagtäglich im Büro. Doch allein die Nutzung dieser Angebote kann zu Ärger mit dem Arbeitgeber führen. Dies gilt selbstverständlich, wenn dieser die private Nutzung des Webs im Unternehmen grundsätzlich verboten hat. Hält sich der Arbeitnehmer nicht daran, verletzt er seine "Hauptleistungspflicht zur Arbeit". Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits 2005 in einem Grundsatzurteil festgestellt [1].
Hier kann bereits ein zeitlich geringfügiges Ausmaß der Kontaktpflege Anlass zu einer arbeitsrechtlichen Abmahnung geben. Beeinträchtigt der Arbeitnehmer die Pflicht zur Erbringung seiner Leistung sogar in erheblichem Umfang, mag in Einzelfällen sogar eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein. Wer sich trotz Verbots mehrere Stunden in der Woche um private Kontakte kümmert, riskiert also seinen Job. Doch auch, wenn der Arbeitgeber den Netzzugang für private Zwecke eingeräumt hat, stellt dies keineswegs einen Freibrief dar. Eine solche Erlaubnis gestattet allenfalls eine Nutzung in einem angemessenen zeitlichen Umfang.
Denunzieren
Dass es kein guter Gedanke ist, sich öffentlich negativ über seinen Arbeitgeber oder Geschäftspartner zu äußern, sollte jedermann klar sein. Schaut man sich dagegen in sozialen Netzwerken um, wundert man sich immer wieder, was Nutzer alles über ihr Unternehmen und ihre Arbeit in die Öffentlichkeit ausposaunen. Da wird über Kollegen genörgelt, der Chef denunziert oder gar der Start eines neuen Produkts vorab verraten.
Auch dies kann zu einer fristlosen Kündigung führen. So bestätigte Ende 2010 ein französisches Arbeitsgericht die Rechtmäßigkeit der Kündigung zweier Mitarbeiter eines Unternehmens. Sie hatten sich auf ihrer Facebook-Seite negativ über ihren Arbeitgeber geäußert und sich als Teil eines "Clubs der Unglückseligen" dargestellt. Die Postings waren zwar nicht öffentlich zugänglich, aber über die Option, auch Freunde von Freunden dürften mitlesen, konnten andere Mitarbeiter des Unternehmens Kenntnis nehmen. Es entließ die Angestellten daraufhin wegen "Verunglimpfung" und "Anstachelung zur Rebellion".
Zu einer Internetlegende wurde Mitte 2009 die Facebook-Nutzerin Lindsay. Sie hatte nach einem anscheinend harten Arbeitstag in einem Posting nicht nur geäußert, wie sehr sie ihren Job hasst, sondern auch Abfälliges über primäre Geschlechtsmerkmale ihres Chefs weitergegeben. Dabei hatte sie aber übersehen, dass dieser Vorgesetzte zu ihren digitalen Freunden gehört. Just jener erklärte ihr daraufhin in einer Antwort ausführlich, warum sie am nächsten Tag nicht mehr zur Arbeit erscheinen müsse.
Dass diese Äußerungen allein auch in Deutschland schon für eine Kündigung ausreichten, ist anzunehmen. Fest steht in jedem Fall, dass eine erhebliche Entgleisung in öffentlichen Kanälen auch hierzulande nicht nur zu einer Verschlechterung des Betriebsklimas, sondern auch zu ernsten arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen kann. Gleiches gilt auch dann, wenn in einem öffentlichen Posting Betriebsgeheimnisse auftauchen oder ausführliche Darstellungen über die Unternehmenssicherheit die digitale Welt erschüttern.
Zwar nicht unbedingt zu rechtlichen Folgen, zumindest aber zu einem Höchstmaß an Peinlichkeit kann es führen, wenn man bei der Einrichtung eines Facebook-Accounts auch den beruflichen E-Mail-Account zum Freundefinden auslesen lässt. Denn sicherlich ist nicht jeder konservative Chef oder Geschäftspartner über die Nachricht, Mitarbeiter XY möchte "mit Dir auf Facebook befreundet sein", begeistert.
Gemischte Nutzung
Wer kennt schon – wie hier in Facebook – alle Freunde seiner Freunde und kann ausschließen, dass seinem Chef nicht doch eine wenig schmeichelhafte Äußerung bekannt wird?
Spezielle juristische Probleme ergeben sich, wenn ein Social-Media-Konto sowohl der privaten als auch der Unternehmenskommunikation dient. Dies lässt zum Beispiel an einen vom Unternehmen bezahlten Account eines Pressesprechers denken, der das Angebot gelegentlich auch für private Zwecke nutzt und Freunde kontaktiert. Dem gegenüber steht ein nahezu rein privat genutzter Zugang, der aber unter der Flagge des Unternehmens segelt.
Rechtliche Schwierigkeiten entstehen, wenn sich die Wege von Unternehmen und Arbeitnehmer trennen. Dann stellt sich die Frage, wem die gespeicherten Daten und sogar der gesamte Account gehören. Einen derartigen Fall hatte Mitte 2008 der High Court in London im Streit zwischen zwei Arbeitsvermittlern zu entscheiden. Dabei wurde ein ehemaliger Mitarbeiter des klagenden Unternehmens verurteilt, seine gesamten geschäftlichen Kontakte, die er über das Netzwerk LinkedIn gewonnen hatte, an diesen herauszugeben, außerdem alle darüber versendeten E-Mails. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der ehemalige Mitarbeiter gezielt Informationen seines Arbeitgebers gesammelt hatte, um Kunden über LinkedIn zu kontaktieren.
Obwohl in Deutschland noch keine veröffentlichten Urteile vorliegen, wäre in eindeutigen Fällen eine ähnliche Rechtsprechung auch hier vorstellbar, etwa im oben genannten Beispiel des von der Firma bezahlten Accounts eines Pressesprechers. Wenn er das soziale Netzwerk fast ausschließlich beruflich genutzt hat und klar als Vertreter des Arbeitgebers aufgetreten ist, bestünde mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur ein Herausgabeanspruch bezüglich der über XING & Co. gesammelten Adressen, sondern sogar des gesamten Accounts.
Als Indiz für eine unternehmensnahe Nutzung spielen in der juristischen Diskussion die Bezahlung des Angebots durch den Arbeitgeber, die genutzte E-Mail-Adresse, die Verwendung von Corporate Design oder die angegebene berufliche Anschrift eine Rolle. Ebenso klar dürfte der andere Fall in Form eines zum allergrößten Teil privat genutzten – und vor allem bezahlten – Social-Media-Zugangs sein, bei dem im Normalfall keinerlei Herausgabeansprüche bestehen. Schwierig und letztlich jeweils nur im Einzelfall lassen sich die Fälle in der Mitte des Nutzungsspektrums lösen, wenn sich zum Beispiel ein Mitarbeiter über einen privat bezahlten Zugang in seiner Funktion im Unternehmen präsentiert und auch entsprechend auftritt. Einigkeit dürfte darüber bestehen, dass in diesen Fällen wohl zumindest kein Anspruch auf eine Übertragung des gesamten Accounts besteht.
Umstritten ist dagegen die Frage, ob ein Arbeitgeber in diesen Fällen von dem scheidenden Mitarbeiter die Herausgabe von Kundendaten verlangen darf. Dagegen sprechen vor allem datenschutzrechtliche Gründe. Die Daten virtueller Freunde und Kontakte hat allein der Mitarbeiter gewonnen. Würden diese an das Unternehmen übertragen, so wäre dies rechtlich als Datenübermittlung zu kennzeichnen. Hierzu wäre aber eine Einwilligung aller Betroffenen erforderlich, von der man im Regelfall nicht ausgehen kann. Ein Herausgabeanspruch dürfte daher nur in eindeutigen Fällen bestehen, in der ein Nutzer in sozialen Netzwerken eindeutig für das Unternehmen handelt.
Social Media Policy
Um diesen Problemen bereits frühzeitig zu entgehen, sollten gerade netzaffine Unternehmen die Einführung einer "Social Media Policy" erwägen. Dabei handelt es sich um eine Betriebsvereinbarung oder Dienstanweisung, die möglichst detailliert den Umgang des Betriebs und der einzelnen Mitarbeiter mit sozialen Netzwerken regelt. Wichtige Eckpunkte eines solchen Papiers sind die Fragen, wer online für das Unternehmen sprechen darf und was die Mitarbeiter zu beachten haben, wenn sie unter Verwendung des Firmennamens agieren. Ebenfalls sollten die Frage des Umfangs der Nutzung von sozialen Netzwerken während der Arbeitszeit sowie eventuelle Maßnahmen der Überwachung und Kontrolle der Mitarbeiter geregelt werden [2].
Spätestens an dieser Stelle ist auch der Betriebsrat einzubeziehen, soweit ein solcher besteht. Die Vorteile einer transparenten Vereinbarung liegen auf der Hand: Unternehmen und Arbeitnehmer werden für das Thema sensibilisiert und kennen die Grenzen des Erlaubten. Als Fazit ist zu ziehen: Die Nutzung von Twitter, XING und Co. im Unternehmen unterliegt rechtlichen Risiken. Dies gilt zunächst einmal für die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang derlei Angebot überhaupt während der Arbeitszeit genutzt werden darf.
Werden hier die Grenzen des Erlaubten überschritten, drohen arbeitsrechtliche Abmahnungen und im Extremfall sogar fristlose Kündigungen. Gleiches gilt auch für öffentlich geäußerte Herabsetzungen des Arbeitgebers oder dessen Kunden. Weitgehend ungeklärt ist zudem die Frage, ob ein Unternehmen nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters nur einen Anspruch auf Herausgabe von einzelnen Daten hat oder sogar den gesamten Accounts beanspruchen kann.
Um solchen Problemen rechtzeitig zu begegnen, empfiehlt es sich, die Rechte und Pflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer rechtzeitig und transparent im Rahmen einer "Social Media Policy" zu bestimmen.
Literatur
[1] Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. 7. 2005 2 AZR 581/04
[2] Bloggen oder arbeiten?, Social Media Guidelines regeln Umgang der Mitarbeiter mit dem Mitmachweb, c’t 15/10, S. 74
(fm)