Chef des Satellitenbauers OHB stolpert über Wikileaks-Veröffentlichungen

Der erst seit Mitte 2009 amtierende Vorstandsvorsitzende der OHB-System AG, Berry Smutny, ist seinen Job schon wieder los. Grund sind Depeschen von US-Diplomaten, in denen sich Smutny abfällig über Galileo und Frankreich geäußert haben soll.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Der erst seit Mitte 2009 amtierende Vorstandsvorsitzende des Bremer Satellitenbauers OHB-System, Berry Smutny, ist seinen Job schon wieder los. Der Aufsichtsrat des Unternehmens habe Smutny mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben freigestellt, seine Bestellung zum Vorstandsvorsitzenden sei "widerrufen" worden, heißt es in einer Unternehmensmitteilung. Als Grund gibt die OHB-System AG an, in den vergangenen Wochen seien wiederholt Protokolle von Gesprächen zwischen Smutny und Diplomaten der US-Botschaft in Berlin veröffentlicht und kommentiert worden.

Die veröffentlichten Protokolle stammen aus dem "Cablegate-Projekt" der Whistleblower-Plattform Wikileaks, aus denen unter anderem die norwegische Tageszeitung Aftenposten zitiert. Smutny soll demnach im Oktober 2009 gesagt haben, er halte das europäische Satellitennavigationssystem Galileo, für das sich vor allem Frankreich einsetze, für "eine Verschwendung von Steuergeldern". Und noch konkreter: "Ich denke, dass Galileo eine dumme Idee ist, die vor allem französischen Interessen dient." Zwei Monate später erhielt OHB den Zuschlag für den Bau der ersten acht Galileo-Satelliten.

Laut einer weiteren Berlin-Depesche, die ebenfalls die Zeichnung "Murphy" trägt (Philip D. Murphy ist seit September 2009 US-Botschafter in Deutschland), soll sich Smutny zudem in scharfer Form über französische Industriespionage beklagt haben. "Frankreich ist das böse Imperium, das Technologie stiehlt, und Deutschland weiß darum", heißt es in dem von "Aftenposten" veröffentlichten Dokument. Seinen Wechsel zur OHB-System AG begründet Smutny laut dem Dokument damit, dass er es "satt gewesen" sei, "deutsche Satellitentechnik der Weltklasse" zu entwickeln, nur um dann zu sehen, dass "die Franzmänner" dieses geistige Eigentum über ihren EADS-Einfluss "abziehen".

Der Diplom-Physiker Smutny war als Chef von Tesat-Spacecom, einem Tochterunternehmen des Konkurrenten EADS Astrium, nach Bremen gewechselt. Obwohl OHB-System eigenen Angaben zufolge eine eidesstattliche Erklärung Smutnys vorliegt, "die ihm unterstellten Äußerungen nicht gemacht zu haben", hätten Verwaltungsrat und Generalversammlung keine Alternative zur Entlassung Smutnys gesehen. Der Vorstandsvorsitzende der Muttergesellschaft OHB Technology AG, Marco Fuchs, werde nun auch den Vorstandsvorsitz bei OHB-System übernehmen und sich die Aufgaben mit Vorstandskollegen teilen. (pmz)