Reporter ohne Grenzen lässt bei Yahoo China nicht locker

Vor dem Hauptsitz des Unternehmens in Kalifornien haben Aktivisten der Menschenrechtsorganisation Yahoo-Mitarbeitern Videos gezeigt, in denen Chinesen den Portalbetreiber kritisieren.

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Die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) will die von ihr aufgedeckten Verstrickungen des Portalbetreibers Yahoo mit den Aktivitäten chinesischer Strafverfolger nicht in Vergessenheit geraten lassen. Nun haben ROG-Aktivisten vor dem Yahoo-Hauptsitz im kalifornischen Sunnyvale Mitarbeitern des Internetunternehmens Videos gezeigt, in denen Chinesen die angebliche Kooperation von Yahoo mit der chinesischen Polizei kritisieren. Das geht aus einer Mitteilung von Reporter ohne Grenzen hervor.

Die Videos zeigen demnach den Bruder des Dissidenten Li Zhi. Li sei mit Yahoos Hilfe über seine E-Mails verhaftet worden und wurde im Dezember 2003 wegen "Anstiftung zum Staatsstreich" zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Ebenso sei der Anwalt von Shi Tao zu sehen. Shi Tao ist seit Juni 2005 wegen der "Weitergabe von Staatsgeheimnissen" für zehn Jahre hinter Gittern. Yahoo habe auf Anfrage von Strafverfolgern eine IP-Adresse mitgeteilt, durch die eine missliebige Mitteilung auf den E-Mail-Account des Journalisten Shi Tao zurückverfolgt werden konnte, lautete im September vorigen Jahres der Vorwurf von ROG.

"Li ist wegen Ihnen im Gefängnis", sagt Li Zhis Bruder laut ROG. Er sei an einer Hepatitis und wegen der schlechten Arbeitsbedingungen an einer Rippenfellentzündung erkrankt. Und weiter: "Unsere Familie ist bankrott. Ich bin überzeugt, er ist unschuldig. All dies ist nur wegen Ihrer Firma passiert. Ich hoffe, dass Sie in Zukunft mehr Gewissen zeigen." Shi Taos Anwalt Mo Shaoping behauptet in dem Video, Yahoo sei in zahlreiche weitere Fälle dieser Art involviert.

ROG hatte nach eigenen Angaben bereits im Februar eine Liste mit 80 inhaftierten chinesischen Journalisten und Internetdissidenten an Yahoo geschickt und sich erkundigt, ob das Unternehmen an diesen Verhaftungen beteiligt war. Yahoo habe darauf nicht reagiert. Daher habe sich ROG zu der Aktion vor der Yahoo-Zentrale entschlossen. Die ROG-Mitarbeiter wollten sich mit Yahoo-Verantwortlichen treffen; diese hätten zunächst abgelehnt und die Polizei einschalten wollen, sich dann aber zu einem Gespräch bereit erklärt.

Die beiden Videos seien gestern vom US-Sender ABC in den World News Tonight ausgestrahlt worden. In Deutschland soll das Material am Mittwoch, dem 19. April um 19:45 Uhr auf Arte zu sehen sein. ABC berichtet, Yahoo habe sein Verhalten erneut damit gerechtfertigt, dass sich das Unternehmen lediglich an die örtlichen Gesetze halte. ROG hatte hingegen darauf hingewiesen, dass Yahoo Holdings seinen Sitz in Hongkong habe und sich daher nicht den chinesischen Behörden unterwerfen müsse. Nun fordert ROG, Yahoo solle nicht länger einen E-Mail-Service in China betreiben und die dort stationierten Server in die USA verlagern. Jede Anfrage chinesischer Behörden bezüglich eines Yahoo-Kunden solle an ein US-Gericht weitergeleitet werden.

Die Menschenrechtler hoffen, die US-Regierung werde gegenüber Chinas Präsident Hu Jintao die "mangelnde Informationsfreiheit in China ansprechen". Hu wird nach Ostern in die USA reisen. Einige Politiker hatten sich dort im Februar bereits kritisch über die Unterdrückung der Meinungsfreiheit in China geäußert und die Unternehmen Yahoo, Google, Microsoft und Cisco der Mithilfe bezichtigt.

Siehe zum Thema auch: (anw)