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Was war. Was wird.

Was den Fernsehheloten das Dschungelcamp ist, ist der IT-Branche die Geschichte mit Stuxnet. Hal Faber fragt sich dabei, woher die elektronische Kriegerkaste wohl kommen wird.

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Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Seit Tagen berichtet selbst die tageszeitung vom Dschungelcamp. Nass ist es und selbst die roten Unterhosen vom Rainer sind nass. Schrecklich. Der arme Rainer, der jetzt mal Scheiße fressen muss und die Leser, die täglich Scheiße lesen müssen, bringen mich darauf, die Wochenschau über das Thema schlechthin zu schreiben. Was den Fernsehheloten das Camp ist, ist der IT-Branche die Geschichte mit Stuxnet. "Stuxnet ist nicht mehr gefährlich", heißt es in der Januar-Ausgabe des Behördenspiegels schon in der Überschrift, auf die ein ebenso beruhigender Untertitel folgt: "Hochwertige Abwehrmaßnahmen verstärken die Sicherheit". Der ach so gefürchtete Wurm nichts weiter als ein Papierwurm? Angeblich ist Stuxnet gar kein Meisterstück, glaubt man den Fachleuten. Sie kritisieren bei dem mehrere Jahre lang nicht entdeckten Wurm, dass er sich nicht gut genug versteckt hat. Lustige Logik.

*** Stuxnet hat also mehrere Komponenten, wie nett. Auf die wichtigste Komponente weist Frank Rieger, der Sprecher des Chaos Computer Clubs in seinem Artikel für die Frankfurter Allgemeine Zeitung hin: "Was aber passiert, wenn in wenigen Jahren das digitale Schlachtfeld um immer mehr Angriffsspieler erweitert wird, wenn durch fortschreitende Bildung und Digitalisierung immer mehr Länder sich die entsprechenden Forschungs- und Ausbildungszentren für eine elektronische Kriegerkaste leisten können?" Fragen wir uns einmal, woher die elektronische Kriegerkaste kommen wird. In den Wanten der Gorch Fock werden sie sicher nicht geschult werden, diese Netzkrieger. Und einfach eine Kohorte Programmierer zum Cyber-Hacken zu verpflichten, wie dies Estland machen will, dürfte auch nicht so einfach sein.

*** Aber es gibt Vorbilder, zumindest was die elektronischen Verteidiger anbelangt: Um ihr schönes Amerika zu schützen, gründeten nach den Netzangriffen auf Georgien und der Attacke auf das Pentagon 20 Hacker das Opensource-Projekt Grey Goose (PDF-Datei). Die Finanzierung übernahm die Firma Palantir Technologies, Lieferant von Analyse-Software für die Homeland Security, die auch bei uns zum Einsatz kommt.

*** Neben den Verteidigern kommen auch die Angreifer aus den Reihen der Hacker. Erinnert sei an die Legion of Underground, die im Dezember 1998 China und dem Irak den Cyberkrieg erklärte. Die kampfbereite Hackertruppe wurde von Mithackern der Gruppen 2600, L0pht, oder Cult of the Dead Cow zurückgepfiffen. Mit dabei auch der Chaos Computer Club und der erwähnte Club-Sprecher, der sich in dem bemerkenswerten Protestaufruf vor allem darüber sorgte, dass Hacker in totalitären Staaten als Cyberterroristen in die Gefängnisse wandern könnten. Die Legion of Underground kapitulierte vor dem geballten Unmut der Community.

*** Wer will, kann in der Geschichte noch weiter zurückgehen. In dieser Woche erschien eine Studie der OECD, die ganz im Stil des Behördenspiegels einen Cyberwar für unwahrscheinlich hält. Ein Blick in diese Studie (PDF-Datei) enthüllt lustige Sachen: "It is unlikely that there will ever be a true cyberwar. The reasons are: many critical computer systems are protected against known exploits and malware so that designers of new cyberweapons have to identify new weaknesses and exploits." Weil unsere Systeme geschützt sind, sind wir sicher, weil wir sicher sind, kann kein Cyberkrieg kommen, so die fromme Denke der Autoren. Noch lustiger ist die Erwähnung des ersten Virus, der dem Cyberwar zugerechnet wird. Denn die Beschreibung WANK, dieser 1989 ausgebrochenen "Worms Against Nuclear Killers" verdanken wir einem Mann, der derzeit der bekannteste Hacker der Welt ist. Julian Assange, von dem das WANK-Kapitel im Buch Underground stammt, der Auslöser einer großen Debatte über Sex und Gewalt in Schweden.

*** 25 Jahre alt ist er, der PC-Virus, die Computerviren sind gar noch älter. Man erinnere sich an die Arbeiten über selbstreproduzierende Programme von Veith Risak, die Anfang der 70er auf Siemens-Rechnern liefen. In dieser kleinen Wochenschau muss jedoch auf den Studenten Fred Cohen verwiesen werden, der 1983 erstmals den Begriff Computervirus verwendete und einen solchen auch programmierte. Heute gehört Fred Cohen zu den Theoretikern des Cyberwars, den er freilich korrekter als "Information Warfare" bezeichnet. Sein Buch "World War 3: We are losing it and most of us didn't even know we were fighting in it" geht davon aus, dass längst der Information Wardfare ausgebrochen ist. Ähnlich wie Franklin Spinney (PDF-Datei) setzt Cohen den Beginn des neuen Krieges vor dem 11. September 2001 an und ruft die US-amerikanischen Hacker auf, ihr Land zu verteidigen. Sein Mitarbeiter Chet Uber gründete später das seltsame Project Vigilant, in dem sich nach dieser Timeline zufolge der Soldat Bradley Manning verfangen sollte. Manning wurde in dieser Woche von Ärzten als selbstmordgefährdet eingestuft und wird nun rund um die Uhr überwacht.

*** Ja, der Cyber, Cyber, Cyberwar ist ein lustiges und lukratives Geschäft. Zwischen den guten weißen Hackern und den pöhsen schwarzen Crackern haben die grauen Hacker Stellung bezogen. Sie brechen in Systeme ein, sie suchen Sicherheitslücken und murmeln unaufhörlich von der tollen Ethik und den guten Vorsätzen, sie künden selbstverliebt von der eigenen Korrektheit wie Journalisten, die sich selbst als Richter verstehen und kokett von der Bestrafung der Kollegen schwadronieren. Dabei sind graue Hacker keineswegs Herren mit grauen Haaren. Noch konnte eine Abordnung der Bundeswehr vor den Türen des Chaos Computer Club einfach weggeschickt werden, als sie mit den anwesenden Hackern über Cyberwar diskutieren wollte. Bald wird die Rekrutierung schärfer werden und den Club zu einer Stellungnahme zwingen, wie er denn zu "nationalen Sachen" steht. Beschränken wir uns daher auf die aktuellen Verlustmeldungen, etwa beim Satellitenbauer OHB, wo auf SAR-Lupe das Nachfolgesystem SARah in den Startlöchern wartet.

*** Die Frage, was Hacker für ihr Vaterland tun können, erreicht das Webvolk längst nicht mehr. Wenn eine zugegeben nette Rezension eines Billiggerätes bei Spreeblick schon als Hack gefeiert wird, scheint die Schlacht um die Köpfe schon verloren zu sein: Das bisschen Antesten können auch die übelsten Apple-Fanboys und iPad-Versteher schreiben, wenn sie gerade keinen Bewunderungsschleim produzieren. Hacken geht anders, wie die Fortsetzungsgeschichte vom Nettoputer zeigt, die wesentlich lustiger ist. Mittlerweile läuft ein abgespecktes Linux samt Firefox auf dem Gerät, während sich der Hacker zeltend in den Schnee verkrümelt beim bayerischen Burning Man Festival.

Was wird.

Bayern, Bayern, da war doch was? Heute beginnt, komplett mit einer Vorführung des neuen Tron-Films, die Digital Lifestyle-Konferenz in München. Zu den Star-Gästen gehören der Cloud-Poet Hans Magnus Enzensberger. Seine Theorie der Medien war dafür verantwortlich, dass ein bis dato rechtschaffener Student in Marburg sein Studium abbrach und Vollzeithacker wurde. Heute sammelt eine Stiftung in seinem Namen Gelder für Hacker-Projekte ein, auch für Wikileaks. Eine derart dezidiert politische Stiftung ist von Eric Schmidt nicht zu erwarten: Der Konflikt bei Google eskalierte ausgerechnet über dem Firmenmotto Nichtsbösestun und dem Engagement in China. Böses tun, warum nicht, wenn der Markt ruft?

Eric Schmidt ist der Star beim Münchener DLD, nicht Frau zu Guttenberg. "Update your Reality", so das Münchener Motto, bevor der Zirkus nach Davos abhubschraubt. Dort diskutiert man weiter auf dem WEF: "Building a response to the new Reality." Diese komische Realität ist auch nicht mehr das, was sie früher einmal war. Tunesien? In Libyen und Algerien brodelt es auch ganz uncybergemäß. Da ist es schon besser, sich an den guten alten Cyberwar festzuhalten, wie dies die Türkei demonstriert mit Kampfübungen gegen Cyberangriffe. Wie heißt es noch so schön beim CCC-Sprecher: "Angriff ist besser als Verteidigung". Schlagen wir zu, es ist ja nur digital. (anw)