Branche reagiert auf Intels Chipsatzfehler [Update]

Intels Produktionsstopp sämtlicher Chipsätze für die jüngste Prozessorgeneration wirft viele Fragen auf – nicht nur bei Endkunden, sondern vor allem bei den Board-Herstellern. Rund acht Millionen Chipsätze wurden ausgeliefert.

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Mit der Ankündigung vom Montag, dass sämtliche bisher produzierten Chipsatz-Bausteine für die neue CPU-Generation Sandy Bridge alias Core i3-2000, Core i5-2000 und Core i7-2000 einen Fehler enthalten, hat Hersteller Intel nicht nur Endkunden überrascht, sondern offenbar auch die Hersteller von Desktop-PCs, Mainboards und Notebooks. Wegen des chinesischen Neujahrsfestes haben viele der überwiegend in Taiwan ansässigen Mainboard-Hersteller noch nicht reagiert – in vielen Betrieben dort ruht in dieser Woche die Produktion und auch die Verwaltungsmitarbeiter haben Urlaub.

Immerhin sind einige Fakten klarer geworden: Nach eigenen Angaben hat Intel etwa acht Millionen Chipsätze ausgeliefert, offiziell werden Sandy-Bridge-Produkte erst seit dem 9. Januar verkauft – weltweit sind also erst wenige Millionen Kunden betroffen. Ein Notebook mit Sandy-Bridge-CPU konnte hierzulande noch kaum ein Endkunde ergattern, selbst Komplett-PCs mit LGA1155-Mainboards liefern erst wenige kleinere Firmen aus. Von dem potenziellen Fehler betroffen sind aber alle bisher verkauften LGA1155-Mainboards. Solche sind bereits seit Anfang Januar im Einzel- und Versandhandel erhältlich. Intel hatte die Chipsatz-Bausteine bereits mehrere Wochen vor dem 9. Januar an die taiwanischen Mainboard-Hersteller wie Asus, Biostar, Elitegroup/ECS, Foxconn, Gigabyte, MSI oder Supermicro ausgeliefert.

Hersteller Samsung, der in Korea und den USA bereits mehrere Sandy-Bridge-Computer ausgeliefert hat, will seinen Kunden anbieten, die betroffenen Geräte auszutauschen oder sie zurückzunehmen. Ähnlich äußert sich der kleine deutsche PC-Hersteller MIFcom, der seinen Kunden einen Austausch von Mainboards anbietet, sobald fehlerfreie Produkte erhältlich sind. Der Notebook-Hersteller Schenker-Notebook erklärt, dass bei seinen Produkten XMG A501, XMG P501 und XMG P701 nur die optischen Laufwerke und eSATA-Ports an den potenziell fehlerhaften SATA-Ports hängen.

Einige Versandhändler haben heute LGA1155-Mainboards aus ihrem Angebot genommen, der Mainboard-Hersteller Gigabyte hat die Auslieferung seiner LGA1155-Boards gestoppt und veröffentlicht Hinweise auf der englischsprachigen Webseite und im deutschen Forum. Auch ASRock hat nun eine Meldung veröffentlicht, bittet Endkunden aber um Geduld unter Verweis auf eine noch ausstehende Klärung mit Intel. Andere Firmen, die c't beziehungsweise heise online bisher nach ihrer Vorgehensweise gefragt hat, haben bisher nicht geantwortet. Zurzeit ruft kein Hersteller seine Produkte wegen des Chipsatzfehlers zurück.

Laut dem noch aktuellen Specification Update (324646-001, PDF-Datei) zu den Desktop-PC-Chipsätzen P67 und H67 sowie zu den Notebook-Chipsätzen HM67 und HM65 hat Intel bisher nur das Stepping B2 dieser Platform Controller Hubs (PCHs) ausgeliefert. Außerdem gibt es üblicherweise ältere "Engineering Samples", die auf Vorserienmustern von Mainboards sitzen; diese werden aber nicht immer öffentlich dokumentiert. Zu den ebenfalls angekündigten Chipsatz-Varianten Q67, QM67 und QS67 sowie zu den erwarteten Versionen H61 und B65 gibt es ebenfalls noch keine öffentlich zugängliche Dokumentation. Vermutlich werden die fehlerbereinigten Cougar-Point-PCHs die Stepping-Bezeichnung B3 tragen.

Die Hersteller stehen nun vor der Frage, was sie mit der Hardware machen sollen, die bereits produziert wurde und sich zum Teil auf dem Transportweg befindet. Müssen alle Mainboards entsorgt werden oder gibt es eine wirtschaftlich sinnvolle Austauschmöglichkeit für den PCH im sogenannten "Flip-Chip Ball Grid Array"-(FC-BGA-)Gehäuse mit 942 Lotkugeln? Boards mit Stepping-B2-PCHs dürften jedenfalls vermutlich von manchen Händlern noch eine Weile lang verkauft werden. Vor März ist dabei nicht mit fehlerfreien Mainboards im Einzelhandel zu rechnen.

Die Hersteller von Desktop-PC- und Notebook-Mainboards sowie von Notebooks bekommen vermutlich in den nächsten vier Wochen keine neue Sandy-Bridge-Ware und müssen danach noch weitere sechs Wochen lang mit Lieferengpässen rechnen. Weil sie sich keine langen Produktions- und Umsatzausfälle leisten können, müssen sie andere Produkte dazwischenschieben – beispielsweise Rechner mit Serie-5-Chipsätzen und den bisherigen Core-i-Prozessoren Core i3-500, Core i5-600, Core i5-700 und Core i7-800 (LGA1156). Auch Prozessoren und Chipsätze von AMD sind Alternativen.

Im c't-Labor trat der PCH-Fehler bisher nicht auf; laut Intel soll es bei einem "einstelligen Prozentanteil" der PCHs je nach Nutzungsdauer und Betriebsbedingungen zu einem Anstieg der Bitfehlerrate bei Serial-ATA-Datentransfers kommen. Im Extremfall würden angeschlossene SATA-Laufwerke überhaupt nicht mehr erkannt. Betroffen sind laut Intel ausschließlich jene vier der insgesamt sechs SATA-Ports, die nicht SATA-6G-kompatibel sind. Anders ausgedrückt: Werden nur die beiden SATA-6G-Ports nutzt, drohen keine Probleme. Mit einem zusätzlichen PCIe-SATA-Hostadapter, der sich nachrüsten lässt beziehungsweise auf vielen Mainboards bereits vorhanden ist, lassen sich weitere Laufwerke gefahrlos anbinden.

Wie von Intel bereits erläutert, sollen ab Ende Februar begrenzte Stückzahlen fehlerbereinigter PCHs bereitstehen sowie erst ab April dann die volle Produktion laufen. Weil die Ursache des Fehlers in einer der oberen Metalllagen der PCH-Dice liegt, geht Intel davon aus, sogar "halbfertige" Wafer, die sich bereits in der Produktion befinden, noch überarbeiten zu können. Man rechnet bei der Halbleiterproduktion überschlägig mit einer Durchlaufzeit von rund sechs Wochen vom nackten Wafer bis zum fertigen Die, dann sind noch Test und Packaging sowie der Versand zum Mainboard-Hersteller nötig. Die fertigen Boards müssen dann wiederum an die Montagelinien der Hersteller kompletter Desktop-PCs und Notebooks geliefert werden, schließlich gehen fertige Rechner mit den korrigierten PCH-Chips auf die Reise zu den Einzelhändlern. Jeder dieser Schritte braucht Zeit.

Intel hat bereits angekündigt, dass sich die Vorstellung weiterer Sandy-Bridge-Produkte jeweils "um einige Wochen" verschieben wird. Das betrifft etwa Bürocomputer mit Q67-Boards und Business-Notebooks mit QM67/QS67. Die Dual-Core-Versionen von Sandy Bridge – also Core i3-2000 – sind offiziell noch gar nicht auf dem Markt, die Desktop-PC-Prozessoren Core i3-2100, 2100T und 2120 haben aber bereits einige Händler verkauft.

[Update:] Laut Anand Lal Shimpi von Anandtech.com liegt die Ursache des potenziellen PCH-Fehlers bei einem Transistor in einer PLL-Schaltung, die das Taktsignal für den SATA-II-Controller erzeugt. Hier habe Intel einen besonders sparsamen Transistor mit sehr dünnem Gate-Oxid implementiert, dessen Leckstrom im Laufe der Zeit zu stark ansteigen könne. (ciw)