Frankreich erhält Websperren ohne Richtervorbehalt

Die französische Nationalversammlung und der Senat haben ein Gesetz zur Stärkung der inneren Sicherheit verabschiedet, das unter anderem eine Blockade kinderpornographischer Webseiten und heimliche Online-Durchsuchungen vorsieht.

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Die französische Nationalversammlung und der Senat haben am gestrigen Dienstag mit der Mehrheit der Regierungspartei UMP ein Gesetz zur Stärkung der inneren Sicherheit ("Loppsi 2", Loi d'orientation et de programmation pour la performance de la sécurité intérieure) verabschiedet, das unter anderem eine Blockade kinderpornographischer Webseiten vorsieht. Die Opposition will das Gesetz vom französischen Verfassungsgerichtshof prüfen lassen.

Gemäß dem Gesetz soll eine Regierungsbehörde auf Basis einer noch zu erlassenden Verordnung Internetprovider zum Sperren inkriminierter Online-Angebote ohne Entschädigung zwingen können. Ein richterlicher Beschluss ist im Gegensatz zu früheren Entwürfen nicht mehr vorgesehen. Der entsprechende überarbeitete Teil des Gesetzes hatte schon im Dezember das Parlament passiert und wurde nun von den Senatoren bestätigt.

Mit Loppsi 2 werden die französischen Sicherheitsbehörden auch mit der Befugnis für heimliche Online-Durchsuchungen ausgerüstet. Dafür ist zunächst eine Richtergenehmigung einzuholen. Ferner werden Webseiten verboten, die Kinder zu selbstmörderischen Spielen anregen. Identitätsdiebstahl im Netz wird schwerer geahndet: Die Höchststrafen dafür liegen künftig bei zwei Jahren Haft und 20.000 Euro Geldstrafe. Der Betrieb von Phishing-Seiten soll ebenfalls stärker bestraft werden. Nicht zuletzt wird mit dem Gesetz die Videoüberwachung öffentlicher Plätze und Straßen deutlich ausgeweitet.

Die Bürgerrechtsorganisation "La Quadrature du Net" sieht in den Maßgaben des Gesetzes eine "unverhältnismäßigen Eingriff in die Meinungs- und Kommunikationsfreiheit". Der Kollateralschaden einer Zensur sei unvermeidbar, sodass das Gesetz gegen die Verfassung verstoße. Besonders bedenklich sei, dass die französische Regierung das Thema einer stärkeren Netzkontrolle auch auf die Agenda der diesjährigen Gespräche der führenden Wirtschaftsnationen und aufstrebender Entwicklungsländer gesetzt habe. (vbr)