Wundersame Sechseckschichten

Vom Schmiermittel zum neuen Elektronik-Werkstoff? Das Material Molybdänit zeigt in ein Atom starken Schichten ähnliche Eigenschaften wie das hochgelobte Graphen.

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Von
  • Katherine Bourzac

Vom Schmiermittel zum neuen Elektronik-Werkstoff? Das Material Molybdänit zeigt in ein Atom starken Schichten ähnliche Eigenschaften wie das hochgelobte Graphen.

Bei der Suche nach neuen Materialien für nanoelektronische Anwendungen stoßen Wissenschaftler immer noch auf überraschende Entdeckungen. Chemiker der ETH Lausanne haben nun gezeigt, dass auch ein Atom starke Schichten aus dem blau-grauen Molybdänit für Transistoren, LEDs und biegsame Solarzellen interessant sein könnten. Die schwefelhaltige Mineralverbindung MoS2 wird bislang vor allem als Schmiermittel benutzt.

Ähnlich wie die Kohlenstoffschichten aus Graphen hat „zweidimensionales“ Molybdänit herausragende elektronische und optische Eigenschaften, die bei der dreidimensionalen Form fehlen. Mit einer Kristallstruktur, in der die Atome schichtweise zu Sechsecken angeordnet sind, gleicht der Aufbau von Molybdänit dem von Graphit (dessen Einschicht-Variante das Graphen ist), das ebenfalls als Schmiermittel eingesetzt wird. Die Lausanner Gruppe um Andras Kis hat aus dem Material nun einen ersten Transistor-Prototyp hergestellt.

Die technischen Details beschrieben die Forscher jetzt in der Fachzeitschrift Nature Nanotechnology: Sie zerstießen zunächst MoS2-Kristalle, die sich zwischen gefaltetem Klebeband befanden. Dieses entfernten sie und hoben so eine erste Kristallschicht ab. Den Vorgang wiederholten sie solange, bis einlagiges Molybdänit übrig blieb. Anschließend übertrugen sie diese hauchdünne Schicht auf ein Substrat und überzogen es mit einem isolierenden Material. Mittels Photolithograpie fügten die Forscher Gatter-, Quell- und Abflusselektroden hinzu, so dass ein Transistor entstand. Laut Kis sind die Ladungsträger in dem MoS2-Transistor ähnlich beweglich wie in Graphen-Nanobändern.

Das Interesse an zweidimensionalen elektronischen Materialien hat seit der ersten erfolgreichen Herstellung von Graphen durch Andre Geim und Kostya Novoselov im Jahre 2004 – im vergangenen Jahr mit dem Physiknobelpreis honoriert – deutlich zugenommen. Bislang habe Graphen als das Nonplusultra dieser Materialklasse gegolten, sagt James Hone, Ingenieur an der Columbia University. Hone hatte mit Kollegen gezeigt, dass die Festigkeit von Graphen alle anderen bekannten Werkstoffe übertrifft. Die Arbeit der Gruppe aus Lausanne werde Molybdänit stärker ins Rampenlicht rücken, ist sich Hone sicher. „Wir werden nun schauen, wie man die Leistungsfähigkeit des Materials steigern kann.“

Der Vorteil von Molybdänit ist, dass es bereits im reinen Zustand ein Halbleiter ist. In einem Halbleiter müssen Elektronen energetisch angeregt werden, um die so genannte Bandlücke zu überspringen und sich in einem elektrischen Feld zu bewegen. Graphen hingegen weist eine solche Bandlücke nur auf, wenn es etwa zu Nanobändern mit ganz regelmäßigen Kanten verarbeitet wird. „Die Bandlücke zu öffnen, ist eine sehr knifflige Arbeit“, sagt James Tour, Chemiker an der texanischen Rice University, der seit Jahren an diversen Nanomaterialien forscht.

Deshalb liegt das Potenzial von Graphen weniger darin, Silizium zu ersetzen, als vielmehr in sehr schnellen analogen Schaltkreisen etwa für Radaranwendungen. Die halbleitenden Molybdänitschichten könnten sich wegen ihrer natürlichen Bandlücke für Solarzellen, LEDs und andere opto-elektronische Bauteile eignen. Ob es auch für integrierte Schaltkreise gut genug ist, müsse nun untersucht werden, sagt Phaedon Avouris, der die IBM-Gruppe für Graphen-Elektronik leitet. Wichtig sei auch, ob die Materialeigenschaften von Molybdänit ausreichten, um elektrische Signale zu verstärken. „Deshalb ist es noch zu früh zu sagen, wie groß das Potenzial des Stoffs ist“, gibt sich Avouris vorsichtig.

Ein anderer Vorteil von Molybdänit ist allerdings seine Verfügbarkeit: „Sie können das Zeug tonnenweise kaufen“, weiß James Hone. Das Abschälen von Schichten, wie es die Kis-Gruppe praktiziert hat, eigne sich aber nicht für große Mengen an MoS2-Schichten. Er denkt eher an flüssige Suspensionen mit solchen Schichten für die Produktion von biegsamen dünnen Solarzellen. „Bevor die Industrie sich auf Molybdänit einlässt, braucht man aber ein Herstellungsverfahren im großen Stil“, sagt Avouris.

Kis hofft erst einmal, dass seine Arbeit andere Chemiker ermuntert, sich mit dem neuen Material zu befassen. James Tour ist zuversichtlich, dass nun andere Forscher folgen. Graphen sei am Anfang auch schwierig zu handhaben gewesen. Die Erfahrungen, die man mit Graphen gemacht habe, könnten aber der Forschung mit Molybdänit sehr zugute kommen, so Tour.

Das Paper:
Radisavljevic, B. et al.: "Single-layer MoS2 transistors", Nature Nanotechnology, Online-Veröffentlichung 30.1.2011 (Abstract).

(nbo)