Hillary Clinton: "Wir brauchen eine globale Verpflichtung für die Internetfreiheit"

Die US-Außenministerin hat in ihrer 2. Grundsatzrede zur Internetfreiheit betont, dass auch Wikileaks die Sicht der USA auf das offene Netz nicht verändert habe. Sie appellierte an die Weltgemeinschaft, den öffentlichen Raum im Cyberspace zu erhalten.

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US-Außenministerin Hillary Clinton meint, ein offenes Internet führe zu einer starken Gesellschaft und Wirtschaft.

(Bild: US Department of State)

US-Außenministerin Hillary Clinton hat in ihrer zweiten Grundsatzrede zur Internetfreiheit betont, dass auch die Veröffentlichung zahlreicher vertraulicher Depeschen auf Wikileaks die Sicht der Vereinigten Staaten auf das offene Netz nicht verändert habe. In ihrer ersten Grunsatzrede zur Internet-Freiheit hatte Clinton davon gesprochen, Internet-Zensur sei eine moderne Form der Berliner Mauer.

Clinton führte nun am Dienstagabend aus, es gebe neben dem Bedürfnis nach Transparenz auch ein Erfordernis für Quellen- und Geheimnisschutz selbst im digitalen Zeitalter. Die Chefdiplomatin der USA erklärte in ihrem gut 45-minütigem Vortrag an der George Washington University in der US-Hauptstadt, die USA könnten weder für Sicherheit sorgen noch für Menschenrechte eintreten, "wenn wir jeden Schritt öffentlich machen müssten". Viele der Depeschen hätten sich auf den Einsatz für Grundrechte auf der ganzen Welt bezogen. Diese an sich bereits gefährliche Arbeit sehe sich durch den Vorfall noch größeren Risiken ausgesetzt.

Die Obama-Regierung hat Clinton zufolge bereits die Offenheit der Regierung etwa mit ihrer "Open Data"-Initiative deutlich vergrößert. Man werfe für die Transparenz bereits viel in die Waagschale, aber es helfe niemandem, wenn das Rad überdreht werde. Zugleich versicherte die Demokratin, dass Washington keinen Druck ausgeübt habe auf Konzerne wie Amazon oder Paypal, die ihre Geschäftsbeziehungen mit Wikileaks aufkündigten. Die Firmen hätten trotz des öffentlichen Drucks, den einzelne Experten und Politiker ausgeübt hätten, mit den Entscheidungen eigene Wertvorstellungen durchgesetzt.

Generell appellierte Clinton an die Weltgemeinschaft, den öffentlichen Raum im Cyberspace zu erhalten: "Wir brauchen eine globale Verpflichtung für die Internetfreiheit." Es müsse jedem möglich sein, im Netz seine Meinung frei zu äußern, seinen Glauben auszuüben, Geschäft zu machen oder mit anderen Nutzern wie in einer Kirche oder einem Gewerkschaftshaus zusammenzukommen. Diese Rechte unterstütze die US-Regierung für Menschen überall auf der Welt. Länder wie China, Burma, Kuba, Vietnam, Iran oder Syrien zeigten aber immer wieder, dass das Internet "millionenfach zensiert werden kann". Unternehmen müssten daher eine Entscheidung treffen, ob sie auf Märkten aktiv sein wollten, in denen die Netzfreiheit eingeschränkt werde. Genauso gelte es für Regierungen, ihren Verpflichtungen gerecht zu werden. Für die USA sei dabei nach wie vor klar, dass man sich auf die Seite der Offenheit stelle. Für deren Schutz seien aber ein paar Grundregeln zu beachten. Es müsse eine Ausbalancierung mit anderen Werten erfolgen.

Konkret sprach die Ministerin die Spannungen zwischen Freiheit und Sicherheit an, die ihrer Ansicht nach aber einander bedingten. Terroristen, die das Netz für die Anschlagsplanung oder die Verbreitung von Propaganda in Anspruch nähmen, müssten genauso entschlossen bekämpft werden wie Menschenhändler, Pädophile oder Cybervandalen. Dabei sei aber die grundsätzliche Offenheit des Netzes nicht einzuschränken. Ein weiteres "Gegensatzpaar" machte Clinton in der freien Meinungsäußerung und Aufrufen zu Hass oder Gewalt aus. Hier bleibe die US-Regierung dem bewährten Ansatz treu, dass in der Regel eine starke, von vielen Stimmen getragene Gegenrede besser sei als der Versuch der Unterdrückung diskriminierender Aussagen Einzelner.

Generell zeigte sich Clinton nicht nur im Blick auf die jüngsten Revolutionen in Ägypten und Tunesien zuversichtlich, dass Mauern, die das Internet teilen sollen, "viel einfacher zu errichten als aufrechtzuerhalten sind". Länder, die das Netz nur für den Handel, aber nicht für den freien Meinungsaustausch öffneten, müssten langfristig mit schweren Folgekosten wie Korruption oder dem Verlust von Ideen und Innovationskraft rechnen. China scheine da momentan noch eine Ausnahme zu bilden. Das Regime in Peking müsse sich aber auch mit der Zeit mit dem "Diktator-Dilemma" auseinandersetzen, wonach es immer teurer werde, Gedanken zu unterdrücken und Trennwände zu bewahren.

Die USA hätten jedenfalls eine Wette darauf abgeschlossen, führte die Ministerin aus, dass ein offenes Internet zu einer starken Gesellschaft und Wirtschaft führe. Dies beziehe sich nicht auf die Technologie, sondern auf die Menschen. Das Netz selbst habe keine Agenda, sondern stelle eine Plattform dar. Leute kämen nicht wegen Twitter zu Demonstrationen zusammen, sondern weil sie etwas ändern wollten. Es existiere auch keine technische Geheimwaffe gegen die Internetunterdrückung: "Dafür gibt es keine App", brachte die Ex-Senatorin ihre Zuhörer zum Lachen. Trotzdem kündigte sie an, die Mittel für die Entwicklung von Programmen zur Umgehung von Internetzensur von 20 Millionen US-Dollar im vergangenen auf 25 Millionen in diesem Jahr zu erhöhen. Es gehe darum, bald 5 Milliarden Menschen den Zugang zu einem freien Netz zu sichern. (jk)