Heftige Proteste gegen Verschärfungen der EU-Regeln zum geistigen Eigentum

Der Entwurf für eine Richtlinie zur Harmonisierung von Strafvorschriften im Kampf gegen Urheberrechts- oder Patentverletzungen könnte insbesondere Open-Source-Anwender hart treffen.

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Der Entwurf für eine EU-Richtlinie zur Harmonisierung von Strafvorschriften im Kampf gegen Urheberrechts- oder Patentverletzungen könnte insbesondere Open-Source-Anwender hart treffen. Was die EU-Kommission vorhabe, "ist eine äußerst zweifelhafte Geschichte", beklagt Joachim Jakobs, Sprecher der Free Software Foundation Europe (FSFE). Auch Till Kreutzer vom Institut für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software (ifrOSS) spricht von einem "Schwert", das sich künftig einfacher einsetzen lasse, um etwa die kommerziellen Nutzer von Linux in die rechtliche Bredouille zu bringen: "Damit könnte man Konzernvorstände in den Knast bringen."

Mit dem Entwurf (PDF-Datei) für eine Richtlinie über "strafrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte an geistigem Eigentum" sollen alle vorsätzlich in gewerblichem Umfang begangenen Verletzungen an geistigen Eigentumsrechten EU-weit zum Verbrechen gestempelt und strafrechtlich verfolgt werden. Die möglichen drakonischen Geld- und Haftstrafen legt ein dazugehöriger Entwurf für einen Rahmenbeschluss des EU-Rates fest. Besondere Empörung löst eine Klausel im Papier des Ministergremiums aus, welche die Einrichtung "gemeinsamer Untersuchungsteams" zwischen Staatsanwaltschaft, Polizei und Vertretern der Rechtehalter vorsieht. "Damit würde der Bock zum Gärtner gemacht", schimpfen Kreutzer und Jakobs unisono.

Den Geschädigten selbst wäre es durch diesen direkten Einbezug in die Ermittlungen möglich, über den Charakter von Rechtsverletzungen und Fälschungen mit zu entscheiden, führt Kreutzer seine Kritik aus. Eine solche Stärkung der Inhaber geistigen Eigentums sei nur schwer mit rechtsstaatlichen Prinzipien zu vereinbaren. "Den Anwendern freier Software muss der Angstschweiß von der Stirn rinnen, dass die Einheiten in die Firma kommen und alles inspizieren dürfen", fürchtet auch Jakobs. Ein solches Mittel könnte allein schon als Drohung missbraucht werden, um etwa auch noch nicht eines konkreten Rechtsbruches überführte Nutzer zur Zahlung von Lizenzen zu veranlassen.

Bisher ist es nicht üblich, die Anwender von Software, die entweder raubkopiert ist oder eventuell Patente verletzt, strafrechtlich zu verfolgen. Zu aufwendig sind in der Regel die Verfahren, bei denen der Kläger zudem auf die "Einsicht" der Staatsanwaltschaft angewiesen ist. Doch dies könnte sich mit dem wachsenden Einfluss der Rechteinhaber auf das Procedere ändern. Den Gegnern der Richtlinie zufolge würden zudem vor allem Firmen wie die SCO Group von den neuen Regelungen profitieren, die bereits versucht haben, strafrechtlich gegen Linux-Großanwender wie DaimlerChrysler oder den US-Ersatzteilhändler AutoZone in den USA vorzugehen. SCO wirft den Firmen vor, mit angeblichen eigenen Rechten geschützten Unix-Code mittelbar in Linux einzusetzen. Das US-Unternehmen könnte mit den harmonisierten strafrechtlichen Vorschriften in der EU dann mehr und einfachere Angriffsflächen finden.

Die im Raum stehenden Regelungen dürften sich generell problematisch erweisen für alle, "die sich in unsicherem rechtlichen Fahrwasser bewegen", meint Kreutzer. Das könnte etwa auf internationale Open-Source-Entwicklergruppen zutreffen, gegen die beispielsweise die so genannten "Patent-Trolle" auf der Jagd nach Opfern in den EU-Mitgliedsstaaten dann eine "einfachere Handhabe" hätten. So würden bislang noch nicht überall in der Gemeinschaft strafrechtliche Vorschriften existieren. In Deutschland gäbe es sie zwar bereits im Urheber-, Patent- und Markenrecht. Großbritannien dagegen geht bei Patentverletzungen bislang noch nicht von einem Verbrechen aus.

FSFE-Mann Jakobs weist zudem auf eine andere absehbare Folge hin, welche etwa die Stammlizenz für Freie Software betreffen würde: "Bisher können wir auf Gentlemen-Vereinbarungen ausweichen, wenn jemand die GPL verletzt. Künftig müssten diese Vergehen dann wohl vom Staat verfolgt werden." Generell wundert er sich, "wie solche Sachen in der EU immer wieder aufs Tablett kommen". Kommission, Parlament und Rat hatten sich in der ursprünglichen, ebenfalls heftig umstrittenen "Richtlinie über die Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum" zunächst "nur" für zivilrechtliche Sanktionsmöglichkeiten entschieden. Ein gutes Jahr später wird nun doch über die Kriminalisierungsstrategie zu verhandeln sein. (Stefan Krempl) / (jk)