Telekommunikationsüberwachung steigt weiter stark an

Die Zahl der gerichtlich erlassenen Anordnungen zum Abhören von Telefon-, Internet- und E-Mail-Anschlüssen kletterte im Jahr 2005 auf 42.508, während sie 2004 noch bei 34.374 lag; besonders nachgefragt bei den Strafverfolgern war erneut der Mobilfunk.

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Der so genannte Kleine Lauschangriff wird nach wie vor immer größer. Laut der jetzt von der Bundesnetzagentur veröffentlichten Jahresstatistik der strafprozessualen Überwachungsmaßnahmen im Telekommunikationsbereich für 2005 (PDF-Datei) kletterte die Zahl der gerichtlich erlassenen Anordnungen auf 42.508. Im Vorjahr lag sie noch bei 34.374. Dies entspricht einem Zuwachs von rund 24 Prozent. Die Zahl der Anordnungen umfasst alle Überwachungsmaßnahmen von Telefon-, Internet- und E-Mail-Anschlüssen gemäß der Paragraphen 100a und 100b der Strafprozessordnung (StPO). Dabei geht es um die Inhaltsüberwachung, also klassische Abhörmaßnahmen beziehungsweise Einblicke in die vollständigen Kommunikationsdaten im Online-Bereich.

Neu erlassen haben Gerichte im vergangenen Jahr 35.015 Anordnungen zur Überwachung der Telekommunikation im Vergleich zu 29.017 Anordnungen in 2004. Bei den restlichen 7493 handelt es sich um Verlängerungen bereits einmal ausgehändigter Abhörbefugnisse. Den größten Anstieg hat erneut der Mobilfunkbereich zu verzeichnen (JPEG-Grafik): die Anordnungen betrafen 34.855 Rufnummern von Mobilfunkanschlüssen. Kennungen von Festnetzanschlüssen waren 5398 betroffen, was einem nur geringfügigen Wachstum entspricht.

Prozentual deutlich zugelegt hat die E-Mail-Überwachung: Sie stieg von 78 Anordnungen im Jahr 2004 auf 365 im vergangenen Jahr und hat sich damit fast vervierfacht. Mehr als verdoppelt hat sich zudem die Überwachung ganzer Internetzugänge etwa bei DSL- oder Kabelnetzverbindungen; hier ist die Zahl der Anordnungen von 92 auf 193 nach oben geschossen. Ob die im Vergleich zum klassischen Telefonsektor noch überschaubare Anzahl der Gesamtmaßnahmen allerdings den kostspieligen Aufwand gemäß der umstrittenen Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) rechtfertigt, wird eine Frage sein, welche insbesondere die Provider weiter beschäftigen dürfte.

Der Trend zu einer rasanten Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung und Abhörmaßnahmen ist damit seit Jahren ungebrochen. Im Jahr 2003 waren es 24.501, 2002 21.874 und 2001 19.896 Anordnungen. Im Verhältnis zum Jahr 1995 mit damals lediglich 4.674 Anordnungen bedeutet dies eine Zunahme von mehr als 500 Prozent in weniger als einem Jahrzehnt. Datenschützer kritisieren daher schon seit längerem die Tendenz, dass die tief in die Grundrechte einschneidenden Abhörmaßnahmen von einer Ultima Ratio zur Standardermittlungsmethode werden. So sprach sich etwa der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar bereits wiederholt dafür aus, die richterliche Kontrolle zu stärken. Der Richter solle nicht wie bisher nur die Anordnung erteilen, sondern auch den Verlauf der Telefonüberwachung kontrollieren.

Der Datenschutzbeauftragte hofft, dass dadurch das Abhören von Telefonen erheblich verringert wird. Auch müsse die Benachrichtigung der Abgehörten verbessert werden. Datenschutzexperten haben sich ferner dafür stark gemacht, die Hauptelemente des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz des "Kernbereichs privater Lebensgestaltung" beim Großen Lauschangriff auf den Kleinen Lauschangriff zu übertragen. Schaar beklagt zudem seit langem, dass aus einem Gutachten des Freiburger Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht vom Mai 2003 zur stetigen Ausweitung der TK-Überwachung bislang noch keine Konsequenzen gezogen worden sind. In dem Gutachten gaben die Rechtswissenschaftler auch Empfehlungen für eine bessere Ausgestaltung der Abhörpraxis. (Stefan Krempl) / (jk)