Deutscher Zukunftspreis für Überschreitung der Abbeschen Grenze

Bundespräsident Horst Köhler hat am heutigen Donnerstag den mit 250.000 Euro dotierten Deutschen Zukunftspreis an Professor Dr. Stefan Hell vom Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen verliehen.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Filamente in einer menschlichen Nervenzelle. Links durch ein herkömmliches Konfokalmikroskop betrachet, rechts durch ein STED-Mikroskop (Bild: MPI für biophysikalische Chemie). [Klicken für Großansicht]

Bundespräsident Horst Köhler hat am heutigen Donnerstag den 10. Deutschen Zukunftspreis an Prof. Dr. Stefan W. Hell vom Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen verliehen. Hell erhielt die mit 250.000 Euro dotierte Auszeichnung, die seit 1997 jährlich als Preis des Bundespräsidenten für Technik und Innovation verliehen wird, für die Entwicklung eines Lichtmikroskops mit bislang nicht dagewesener Schärfe. Hell fand als Erster einen Weg, die 1873 von Ernst Abbe entdeckte und in einer Formel festgehaltene Auflösungsgrenze (Abbesche Grenze) im Fluoreszenzmikroskop von einer halben Lichtwellenlänge (200 Nanometer) zu überwinden.

Mit der von Hell entwickelten sogenannten STED-Mikroskopie (Stimulated Emission Depletion) können heute Proteinverteilungen bis zu zehnmal schärfer als bisher dargestellt werden. Dies führte zu wichtigen Erkenntnissen. So konnte die STED-Mikroskopie einzelne Bläschen mit Nervenbotenstoffen (synaptische Vesikel) auflösen und eine grundlegende Frage der Neurobiologie lösen. Das Neue an dem Verfahren ist, dass seine Schärfe nicht mehr durch die Lichtwellenlänge begrenzt ist. Die erreichbare Auflösung ist nur noch eine Frage der Umsetzung. So erreichten Hell und seine Mitarbeiter bereits Auflösungen von 20 Nanometern, also die zehnfache Überschreitung des Abbeschen Grenzwerts. "Und dabei verwenden wir ganz normale optische Komponenten, wie Linse, Spiegel und Objektive", erklärt der Wissenschaftler.

Abbes Beugungsgrenze behindert nicht nur den Einblick in die Zelle, sondern auch die Herstellung kleinster elektronischer Schaltkreise. Mit geeigneten schaltbaren Molekülen ließe sich Hells Prinzip umkehren und zum Herstellen feinster Nanostrukturen verwenden. Obwohl das Verfahren vermutlich für Massenspeicher zu langsam wäre, könnte man beliebig kleine Strukturen kundenorientiert anfertigen – und zwar mit sichtbarem Licht. Die patentierte STED-Mikroskopie wurde an die in Wetzlar und Mannheim produzierende Leica Microsystems GmbH lizenziert. Leica entwickelt die STED-Mikroskopie zum marktfähigen Gerät und hat die Markteinführung für 2007 angekündigt.

Stefan Hell wurde 1962 in Rumänien geboren und studierte in Heidelberg Physik. Schon früh wollte er sich nicht damit zufrieden geben, dass die Auflösung von Lichtmikroskopen nach physikalischen Gesetzen grundsätzlich beschränkt ist. Nach der Promotion und einer Zeit als "freier Erfinder" ging er zum European Molecular Biology Laboratory (EMBL) nach Heidelberg und wechselte anschließend nach Turku, Finnland, wo er das Prinzip der STED-Mikroskopie entwickelte. Seit 2002 leitet er die Abteilung NanoBiophotonik am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie.

Siehe dazu auch bei Technology Review:

(pmz)