Grüne: Internet als neuer demokratischer Raum

"Wir sind der Überzeugung, dass wir durch Beteiligung und Transparenz eine bessere Politik erreichen können", hieß es auf einem Demokratie-Kongress der Grünen. Neue Medien seien kein machtfreier Raum, die Organisation von Gegenmacht sei aber einfacher.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 96 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Torsten Kleinz

Bei einem Demokratie-Kongress der Grünen in Mainz hat die Partei am Sonntag die Bedeutung des Internets als neuem demokratischem Raum betont. Daniel Köbler, Landesvorstandssprecher und Spitzenkandidat bei der bevorstehenden Landtagswahl in Rheinland-Pfalz stellte ein "Demokratiepaket" vor: als Regierungspartei will sich die Partei unter anderem für die Einführung von Online-Petitionen im rheinland-pfälzischen Landtag einsetzen und Bürgerbegehren vereinfachen. "Wir sind der Überzeugung, dass wir durch Beteiligung und Transparenz eine bessere Politik erreichen können", sagte Köbler.

Der Europaabgeordnete Sven Giegold betonte die Rolle des Online-Aktivismus für Demokratiebewegungen wie in Nordafrika: "Zwar sind die neuen Medien kein machtfreier Raum, aber ein Ort, wo die Organisation von Gegenmacht ohne die Anhäufung großer Kapitalmengen möglich ist." Der Journalist Harald Schumann hatte vorher die Unterwanderung demokratischer Prozesse durch wirtschaftliche Interessen scharf kritisiert: "Es gibt in unseren Parlamenten kein Immunsystem mehr, das zwischen Privatinteressen und Interessen der Allgemeinheit unterscheidet." So würden Parlamentarier immer mehr von zentralen Entscheidungen wie der Verteilung von Milliardenbeihilfen für die Finanzwirtschaft ausgeschlossen. Schumann sprach von einem "stillen Staatsstreich der Konzernlenker und ihrer Wasserträger".

Die medienpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion Tabea Rößner betonte die Bedeutung klassischer Medien bei der Beseitigung solcher Missstände. "Unabhängiger Journalismus ist notwendig für unternehmens- und regierungskritische Berichterstattung und damit für die politische Willensbildung." Zwar sei die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender aus Ägypten und Tunesien kein Ruhmesblatt gewesen, wie viele Blogger zu recht kritisiert hätten. Dennoch zeigten gerade die Beschwerden der "digital natives", dass das Medium Fernsehen immer noch sehr wichtig sei. "Meine These ist: Demokratie kann nicht alleine auf social media und Blogs bauen." Ein Nachteil sei die Schnelllebigkeit der Online-Kommunikation. Zudem stelle sich die Frage, wie man in Zukunft qualitativen Journalismus gerade in der Regionalberichterstattung finanzieren könne.

Der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz, wie Rößner Mitglied der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" des Bundestags, betonte die Bedeutung des Internets für die Parlamentsarbeit. So setzt er große Hoffnungen auf die Online-Beteiligungs-Plattform der Enquete-Kommission. "Wenn Adhocracy funktioniert, könnte das die Arbeit im Bundestag revolutionieren", erklärte von Notz. So habe die Bundestagsfraktion der Grünen bereits beim Entwurf eines Arbeitnehmer-Datenschutzgesetzes viele wertvolle Kommentare von Internet-Nutzern erhalten, die in den Gesetzentwurf eingeflossen seien.

Die Journalistin und Bloggerin Christiane Schulzki-Haddouti betonte die Wichtigkeit der neuen Medien: "Wenn wir die Demokratie stärken wollen, müssen wir auch die Öffentlichkeit stärken." So habe sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, wie Demokratiebewegungen über Technologien wie Mobilfunk oder Online-Plattformen in kurzer Zeit viele Menschen mobilisieren konnten. Die Negativseite der sozialen Medien sei die mögliche Kontrolle großer Menschenmengen. "Die Gesellschaft kann durchaus als ein Ensemble von Informationsgrößen definiert werden, das über regulierende Eingriffe gesteuert werden kann." So bemühten sich autoritäre Regime schon heute darum, die Internet-Kommunikation bis ins Kleinste überwachen zu können. Geodaten und neue Analyse-Methoden erlaubten eine weitgehende Überwachung und Vorhersage des Verhaltens von Menschen. Dringend nötig sei deshalb unter anderem eine effektive Durchsetzung der EU-Datenschutzvorgaben auch bei amerikanischen Unternehmen. Zudem plädierte sie für eine aktive staatliche Förderung von Projekten zur Anonymisierung "Wir brauchen Techniken, die die Selbstbestimmung fördern und nicht nur solche, die Fremdkontrolle fördern", erklärte Schulzki-Haddouti. (jk)