Xoom kontra iPad 2
Wie viel Arbeit auch immer die Hersteller in Tablets mit Android 2 stecken, es bleibt ein Smartphone-Betriebssystem.âErst Android 3 unterstĂŒtzt die groĂen Displays so richtig und kann es mit dem MarktfĂŒhrer iPad aufnehmen. Googles neues System startet auf dem Motorola Xoom. Derweil betreibt Apple schon Modellpflege und bringt ein beschleunigtes und leichteres iPad 2 auf den Markt.
- Achim Barczok
- Jörg Wirtgen
Kaum jemand hatte wohl vorhergesehen, was im Jahr eins nach dem iPad passierte, wie schnell das iPad begeisterte AnhÀnger fand, wie zahlreich und phantasievoll die Apps wurden, wie groà das Interesse auch bei den (Noch-)Nicht-KÀufern und den Herstellern war. Die Tablets schaffen einen neuen Zugang zur digitalen Welt, direkter und effektiver als ein Notebook. Apple hat es als erster Hersteller geschafft, diese Idee so umzusetzen, dass sie trotz einiger EinschrÀnkungen wirklich beim Anwender ankommt.
Obwohl das iPad weniger kann als jeder Tablet PC mit Windows, hat es sich in ein paar Monaten besser verkauft als diese in den fast zehn Jahren ihrer Existenz â möglicherweise weil die Windows-Tablets nicht einfacher, sondern eben komplizierter zu bedienen sind als normale Notebooks. Positiv formuliert: Sie decken einen anderen Nutzerkreis ab und wollen nicht am Wettrennen um die Gunst der PrivatkĂ€ufer teilnehmen.
Andere hingegen reiĂen sich um eine Starterlaubnis: Schnell waren Tablets mit dem Smartphone-Betriebssystem Android 2.2 auf dem Markt, und das zu weit gĂŒnstigeren Preisen als das iPad. Doch dessen Magie konnten auch sie wenig entgegensetzen, zu sehr sind BedienoberflĂ€che und Apps auf die kleinen Smartphone-Displays ausgelegt. Samsung hat sich beim Galaxy Tab mit 7-Zoll-Display eine Menge Arbeit gemacht, um diese Nachteile auszumerzen, was bei den mitgelieferten Anwendungen geklappt hat, aber kaum weitere angepasste Apps hervorgebracht hat.
Das kann sich erst mit Android 3.0 Ă€ndern. Google hat die OberflĂ€che an Tablet-Displays angepasst und neue Bedienkonzepte fĂŒr Apps vorgesehen. Weil das SDK den Entwicklern erst seit Ende Februar zur VerfĂŒgung steht, nutzen das bislang aber nur wenige Apps, und es dĂŒrften Monate oder gar Jahre vergehen, bis der Market Ă€hnlich gut gefĂŒllt ist wie der App Store fĂŒr das iPad. Viele Hersteller haben Android-Tablets angekĂŒndigt, darunter Asus, Acer, HTC, LG, Samsung und Toshiba. Erster am Markt ist das Xoom, weil Hersteller Motorola es zusammen mit Google entwickelt hat â so einen Kooperationspartner sucht sich Google bei fast jeder Android-Version, zuletzt Samsung beim Nexus S mit Android 2.3. Andere Tablets auch von RIM und HP werden vermutlich frĂŒhestens ab April erhĂ€ltlich sein.
Startaufstellung
Somit buhlen zurzeit nur zwei Tablets der neuen Generation um Aufmerksamkeit, das Apple iPad 2 und das Motorola Xoom. Den gĂŒnstigsten Einstieg bietet ungewöhnlicherweise Apple mit 500 Euro fĂŒr eine 16-GByte-Version ohne UMTS-Modul â vermutlich, denn bis zum Redaktionsschluss verriet Apple keine Preise. Auch auf Vermutungen beruhen: 600 Euro fĂŒr die 32-GByte-Version, 700 fĂŒr die mit 64 GByte Version, jeweils 100 Euro Aufpreis fĂŒr das UMTS-Modul. Der Verkauf soll in Deutschland am 25. MĂ€rz starten. Auch die bei den Mobilfunk-Providern gekauften GerĂ€te haben voraussichtlich wie das erste iPad kein SIM-Lock und können deshalb mit jeder Micro-SIM genutzt werden.
Motorola bietet die UMTS-Version des Xoom ab Ende April drei Monate lang exklusiv bei T-Mobile an, dort ist es mit 32 GByte Speicher wie das iPad fĂŒr 700 Euro erhĂ€ltlich, ebenfalls ohne Vertragszwang und ohne SIM-Lock. Eine Version ohne UMTS haben zum Redaktionsschluss einige Online-HĂ€ndler um 640 Euro fĂŒr Ende April in Aussicht gestellt. Xoom und iPad 2 gibt es in den USA fĂŒr den Provider Verizon mit CDMA-Mobilfunk, der in Deutschland nicht nutzbar ist. Die Module lassen sich nach unserem Wissen nicht nachtrĂ€glich gegen UMTS-Module austauschen. Motorola will CDMA-Xooms kostenlos um ein LTE-Modul erweitern lassen, man muss sie dazu voraussichtlich an Motorola USA einschicken.
Als interessante dritte Alternative vertickt Apple ab 380 Euro Restposten des ersten iPad, die aufgrund des verlockenden Preises möglicherweise schnell vergriffen sind. Die Frage, ob die Produktion des alten iPad bei hoher Nachfrage weiterlÀuft, wollte Apple uns nicht beantworten.
Vierkampf
Der Wettkampf zwischen den beiden Tablets besteht aus mehreren Disziplinen: der Hardware, dem Bedienkonzept samt mitgelieferter Apps, den erhĂ€ltlichen Multimedia-Inhalten und dem Angebot an spannenden Apps und Spielen. FĂŒr den Test lagen uns GerĂ€te aus den USA vor: das Motorola Xoom in der CDMA-Version mit einem englischsprachigen Android, das iPad 2 in der WLAN-Variante.
Nur 9 Millimeter dĂŒnn ist das neue iPad, und in der Version ohne UMTS nur 600 Gramm schwer â um einiges flacher und leichter als der VorgĂ€nger. Vor allem wenn man es hochkant hĂ€lt, macht sich das positiv bemerkbar: Es liegt gut in der Hand und fĂŒhlt sich auch nach lĂ€ngerer Zeit nicht sonderlich schwer an. Einige Kollegen bekamen allerdings den Eindruck, es nun verkrampfter halten zu mĂŒssen.
Das Xoom ist mit 730 Gramm deutlich schwerer und 13 Millimeter dick, man legt es zum Lesen lieber vor sich auf dem Tisch ab. Dank des abgerundeten RĂŒckens und der griffigen Beschichtung hĂ€lt man es gut und sicher, doch trotz wertiger Verarbeitung fehlt ihm die Eleganz des iPad. Das Breitbild-Format spielt nicht nur bei Videos seine StĂ€rken aus, auch auf Webseiten und in Apps wie Kalender oder Mail sind mehr Informationen sichtbar. Bei Magazinen und Buchseiten wirkt das 4:3-Format des iPad natĂŒrlicher.
Displays und Laufzeit
Beide Tablets sind mit verspiegelten IPS-Panels ausgestattet, die mit ĂŒber 300 cd/m2 angenehm hell leuchten. Bei Tageslicht bleiben sie gut lesbar, im Sonnenlicht spiegeln sie so stark, dass man nur mit MĂŒhe etwas erkennt. Beide haben den fĂŒr MobilgerĂ€te ĂŒblichen eingeschrĂ€nkten Farbraum, der nicht mal sRGB komplett abdeckt; mit Wide-Color-Gamut- oder OLED-Displays können sie nicht mithalten.
Die Farben des iPad-Displays bleiben auch bei extremen Blickwinkeln unverÀndert, wÀhrend das Xoom-Display ab etwa 40 Grad langsam flauer wird. Beide kann man gut ablesen, wenn sie auf dem Tisch vor einem liegen. Am unteren Displayrand des iPad fielen uns beim Anzeigen eines dunklen Bildes zwei helle Flecken auf. Solche Lichteinstrahlungen, die sich bei Druck mit dem Finger auf die Stelle verstÀrken, deuten darauf hin, dass zwischen Panel und Rahmen eine Spannung herrscht, möglicherweise eine Folge der extrem kompakten Bauweise des iPad.
Die Touchscreens reagieren beide prĂ€zise und schnell. Beide eignen sich nur fĂŒr Fingereingaben. Es gibt Spezialstifte wie den Dagi Stylus, den iClooly Multi-Touch Pen oder den Pogo Sketch, die aber nur (wie beim ersten iPad) mittelprĂ€chtig funktionieren: Zweimal denselben Punkt zu treffen ist nach wie vor GlĂŒckssache, das reicht fĂŒr Skizzen, aber kaum fĂŒr prĂ€zise Zeichnungen [1] .
FĂŒr das iPad 2 hat Apple trotz kleinerem Akku eine Ă€hnliche Laufzeit wie beim VorgĂ€nger versprochen, der es im cât-Labor (beim Abspielen von Videos bei gedimmter Helligkeit) auf stattliche 10,7 Stunden brachte. TatsĂ€chlich ĂŒbertrifft das iPad 2 das sogar: 11,6 Stunden. Auch das Motorola Xoom kommt auf sehr gute 9,2 Stunden. Das anspruchsvolle Rennspiel Reckless Racing HD lief auf dem iPad 9 Stunden, das Xoom brachte es bei der grafisch abgespeckten Android-Version des Spiels auf 8 Stunden. Selbst bei intensivem Gebrauch kommt man anders als bei den meisten Note- und Netbooks also ohne Netzteil ĂŒber den Tag, bei gelegentlicher Nutzung reicht der Akku mehrere Tage.
Dem iPad 2 liegt ein leichtes und kleines USB-Netzteil bei, das fĂŒr eine komplette Ladung ĂŒber vier Stunden benötigt. Es lĂ€sst sich (mit Apples Spezialkabel) auch am Rechner oder aus anderen USB-Netzteilen laden, was aber noch lĂ€nger dauert. Das Xoom braucht nur etwa zwei Stunden fĂŒr eine Komplettladung, gibt sich sonst aber unpraktisch: Weder lĂ€dt es sich per USB, noch kann man das Netzteil fĂŒr andere GerĂ€te nutzen.
Den vollstÀndigen Artikel finden Sie in c't 8/2011.
(jow)