Kulturkampf um französische Urheberrechtsreform

Im Zuge der Debatte über die Urheberrechtsnovelle im französischenSenat ist der Streit um Fragen wie DRM und Interoperabilität, die Zukunft der freien Software, das Vorgehen gegen Tauschbörsennutzer und die P2P-Flatrate voll entbrannt.

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In Frankreich ist im Zuge der Debatte über die Urheberrechtsnovelle im Senat der Streit um Fragen wie den rechtlichen Schutz für Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) und das Vorgehen gegen Tauschbörsennutzer voll entbrannt. Während sich Konservative und Sozialisten im Senat einer Position annähern, die der Unterhaltungsindustrie entgegenkommt und die Stellung von DRM juristisch absichern würde, haben sozialistische Parlamentsabgeordnete in einem flammenden offenen Brief einen "freiheitsberaubenden Virus" in dem mit konservativer Regierungsmehrheit verabschiedeten Gesetzesentwurf ausgemacht. Sie bestehen auf der Legalisierung des Austauschs geschützter Werke in P2P-Netzen mit Hilfe einer "Global-Lizenz". Kultusminister Renaud Donnedieu de Vabres überraschte derweil mit der Forderung, die Abonnenten eines Internetzugangs pauschal für darüber begangene Urheberrechtsverletzungen zur Verantwortung ziehen zu wollen.

Der Minister der konservativen Regierungspartei UMP brach am gestrigen Donnerstag beim Start der Diskussion zur Urheberrechtsreform im Senat erneut eine Lanze für die Interoperabilitätsklausel im bisherigen Entwurf. Demnach sollen DRM-Hersteller im Bedarfsfall alle technischen Informationen herausgeben, die für das nahtlose Zusammenspiel verschiedener Systeme und Abspielgeräte erforderlich sind. Mit dieser Frage müssen sich laut dem Kultusminister bald alle Nationen beschäftigen. Ein Weg für Raubkopien werde damit nicht geöffnet.

Donnedieu de Vabres machte sich ferner für die Schaffung eines umfassenden Werkverzeichnisses stark. Surfer sollten dort prüfen, ob eine in Tauschbörsen angebotene Datei geschützt oder frei verfügbar sei. Zugleich plädierte er für einen Änderungsantrag aus den Reihen der Senatoren, mit dem eine Lücke bei der Verfolgung von Urheberrechtsverletzern in P2P-Netzen geschlossen werden soll. Er sieht vor, dass Ermittler oder die Unterhaltungsindustrie nicht mehr einen konkreten, sich hinter eine IP-Adresse verbergenden Nutzer ausfindig machen müssen. Vielmehr könnten sie generell den Inhaber des entsprechenden Internet-Account zur Verantwortung ziehen. Ob es sich dabei etwa um einen Familienvater handelt, dessen Kinder im Netz auf Abwege gekommen sind, täte nichts zur Sache.

Den größten Unmut bei Bürgerrechtlern hat der Berichterstatter im Senat, Michel Thiollière, auf sich gezogen. Der rechte Politiker will mit seinen umfassenden Änderungsanträgen die DRM-Interoperabilitätsklausel im Interesse der Industrie zurechtstutzen. Zudem soll es laut Thiollière zu einem ausnahmslosen Verbot der Verbreitung von Software kommen, die "offensichtlich darauf ausgerichtet ist", den unautorisierten Zugang zu geschützten Werken oder anderen Objekten zu gestatten. Open-Source-Anbieter fürchten, dass Basisprogramme aus der freien Softwarewelt unter diese insbesondere von Vivendi Universal unterstützte Klausel fallen könnten. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen haben daher zu einer Demonstration am Sonntag in Paris gegen die Reform aufgerufen.

Aus der Opposition hatte der sozialistische Senator Michel Charasse dem Berichterstatter im Vorfeld der Senatsdebatte den Rücken gestärkt. Er schlug in einem Änderungsantrag die Streichung der Interoperabilitätsregelung vor. Zugleich verwahrte er sich gegen Kritik von Befürwortern freier Software, die er als "Fundamentalisten" abtat. Christophe Espern vom Informationszentrum EUCD.info bezeichnete die Haltung Charasses daraufhin als "skandalös". Der Senator habe keine Ahnung von der Softwarewirtschaft und schon gar nicht von freier Software.

Beim Start der Senatsdebatte kritisierte die sozialistische Repräsentantin Catherine Tasca die Vorarbeit der Regierung. Sie prangerte die Wahl des Dringlichkeitsverfahrens an, das eine weitere Abstimmungsrunde zwischen Parlament und Senat ausschließt. Es brauche noch Zeit, um Regeln für die "neue Wirtschaft" rund um den Kulturaustausch im Internet zu finden. Gleichzeitig erteilte Tasca aber der zunächst vom Parlament mit Stimmen von Konservativen und Sozialisten beschlossenen Einführung einer P2P-Flatrate eine Absage. Die auch in Deutschland von Bürgerrechtlern geforderte "Kultur-" oder "Content-Flatrate" würde das Rechtsgefüge "ins Rutschen bringen" und das System der Privatkopie über das Recht der Urheber stellen.

Die Sache ganz anders sehen vier sozialistische Parlamentsabgeordnete. Sie haben im Online-Magazin Ratiatum vehement für die vorläufig beerdigte "Global-Lizenz" zur Veröffentlichung geschützter Werke in Tauschbörsen Partei ergriffen. Der Vorschlag sei "pragmatisch, modern und progressiv". Die Regelung mache es möglich, gegen die Zahlung eines Pauschalbetrages Zugang zu einem globalen kulturellen Angebot zu erlangen und habe Vorbilder im französischen Recht. Letztlich würden die Mittel für die Kultur ergänzend und auf Basis des Internet zugunsten der Schöpfer und Künstler freigesetzt und neuen Talenten Raum gegeben, verweisen die Abgeordneten auf den Online-Erfolg von Bands wie den Arctic Monkeys oder französischen Jungstars. DRM lehnen sie als "freiheitsberaubend" und "trojanisches Pferd für den Einfall des angelsächsischen Copyright" ab. Die Sozialistengruppe beklagt, dass die Regierungspartei dem Druck von Konzernen wie Microsoft und der Musikindustrie nachgegeben hätte. Diese wollten nur ihre Renditen sichern und Frankreich Technologien und Gebräuche aufdrängen, die Freiheitsrechte missachten.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)