Künstliche Blätter für die Dritte Welt

Dank eines neuen Katalysators kann eine Solarzelle erstmals ohne Umweg über die Elektrolyse Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spalten. Ein MIT-Forscher und der indische Konzern Tata wollen die Technologie zu einer billigen und universellen Energiequelle weiterentwickeln.

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Von
  • Phil McKenna

Dank eines neuen Katalysators kann eine Solarzelle erstmals ohne Umweg über die Elektrolyse Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spalten. Ein MIT-Forscher und der indische Konzern Tata wollen die Technologie zu einer billigen und universellen Energiequelle weiterentwickeln.

Selbst der letzte Grashalm kann es: aus Sonnenlicht Energie zum Leben machen. Seit Jahrzehnten experimentieren Forscher, wie man die Photosynthese der Pflanzen technisch nachbilden könnte, um so eine unerschöpfliche, saubere Energiequelle anzuzapfen. Der MIT-Forscher Daniel Nocera ist diesem Ziel nun einen entscheidenden Schritt näher gekommen: Seine „künstliches Blatt“ spaltet Wasser mit Hilfe von Sonnenlicht ohne Umwege in Wasserstoff und Sauerstoff, die dann zur Erzeugung von Strom genutzt werden können.

Die Konstruktion, die der MIT-Mann kürzlich auf der Jahrestagung der American Chemical Society vorgestellt hat, kombiniert eine handelsübliche Solarzelle mit Katalysatoren aus Kobalt und Nickel. Sie helfen bei der Spaltung der Wassermoleküle. Die ein Quadratmeter große Zelle könne, unter Wasser gesetzt, genug Wasserstoffgas produzieren, um ein kleines Haus in einem Entwicklungsland 24 Stunden lang mit Strom zu versorgen, sagt Nocera.

Die von ihm verwendete Silizium-Dünnschichtzelle hat einen Wirkungsgrad von sieben Prozent, die an ihr stattfindende Umsetzung von Sonnenlicht in Wasserstoffgas fünf Prozent. Die natürliche Photosynthese könne hingegen nur ein Prozent des Sonnenlichts in biologisch nutzbare Energie verwandeln, erläutert Nocera.

Zwar hat es bereits diverse Ansätze für eine künstliche Photosynthese gegeben. Die bisherigen Anordnungen waren jedoch entweder auf teure Edelmetalle als Katalysatoren angewiesen. Oder sie nahmen die Wasseraufspaltung in einem zweiten Apparat vor, für den Solarzelle nur den Strom lieferte, was nicht sehr effizient und insgesamt teurer ist.

Noceras Kunststück ist, den Prozess mit billigen Katalysatoren geschafft zu haben. „Im Prinzip ist das nur ein Stück Silizium, das mit Katalysatoren überzogen ist“, erläutert der Physiker. „Wenn Sie es in Wasser legen, fängt es an, Wasserstoff und Sauerstoff zu produzieren.“

Bereits 2008 war es Nocera gelungen, mit Hilfe von Kobalt Sauerstoff abzuscheiden. Jedoch ließ sich das Metall nicht direkt auf das Silizium aufbringen, ohne einfallendes Sonnenlicht zu blockieren. Diesmal trug Nocera das Kobalt in einer hauchdünnen Schicht auf, so dass der Lichtverlust nur noch bei zwei bis drei Prozent liegt. Zwischen dem Silizium und dem Kobalt zog er außerdem eine dünne Zwischenschicht ein, die den Halbleiter vor einer Oxidierung schützt, aber Strom durchlässt.

Auf der anderen Seite des Silizium-Wafers setzt Nocera einen Nickel-basierten Katalysator ein: Der scheidet den Wasserstoff aus dem Wasser ab. Nickel wird bereits in der elektrolytischen Spaltung von Wasser eingesetzt. Phosphate und Borate in der Flüssigkeit setzen dem Metall jedoch zu und machen es rasch unbrauchbar. In Tests habe der Nickel-Katalysator immerhin sechs Tage durchgehalten, ohne dass der Wirkungsgrade gesunken sei, versichert Nocera.

Für John Turner vom National Renewable Energy Laboratory in Golden, Colorado, ist der fast transparente Kobalt-Katalysator ein Riesenschritt nach vorne. Auch der Wirkungsgrad sei vielversprechend. „Wenn er mit einer Solarzelle von elf oder zwölf Prozent arbeitet, sollte er noch bessere Werte erreichen können“, sagt Turner. Die Laufzeiten müssten allerdings noch deutlich besser werden. Gefragt seien einige zehntausend Stunden. „Die muss er demonstrieren.“

Die von Nocera gegründete Firma Sun Catalytix will nun mit dem indischen Industriekonzern Tata eine marktreife Lösung für Entwicklungsländer entwickeln. Beide Unternehmen arbeiten bereits an einem älteren Konzept von Nocera zusammen, das mit einer 100-Watt-Solarzelle läuft, aber noch einen separaten Wasserspalter benötigt. Das Gerät soll ungefähr 100 Dollar kosten.

Zudem soll es um einen Wasserstoffspeicher ergänzt werden, um auch ohne Sonnenlicht Strom produzieren zu können. Bis Ende des Jahres will Nocera einen fertigen Prototypen an Tata liefern. Das neue „künstliche Blatt“ soll noch billiger werden. Nocera rechnet aber frühestens in zweieinhalb Jahren mit einem Prototypen für die kommerzielle Fertigung.

„Bevor die Technik einsatzbereit ist, ist noch eine Menge zu tun“, sagt James Stevens, Forscher beim Chemiekonzern Dow Chemical. „Der Wirkungsgrad ist niedrig und die Anfangsinvestitionen sind hoch.“ Zudem müsse die Speicherung von Wasserstoff sicher sein, und das System dürfe bei Temperaturen unter Null nicht einfrieren. „Bei dem derzeitigen Stand der Entwicklung haben wir noch kein Interesse daran“, wehrt Stevens ab. (nbo)