Italien stoppt Wahlcomputer-Projekte

Die italienische Regierung will keine Wahlcomputer mehr zulassen. Der Partei von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi wird vorgeworfen, bei der Wahl im April eine Million Stimmen erschlichen zu haben.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

In der italienischen Regierung gibt es offenbar einen Konsens darüber, den Einsatz von Wahlcomputern nicht weiter zu forcieren. Innenminister Giuliano Amato habe auf einer Konferenz in Rom bereits den Stopp aller Projekte zur Implementierung von Wahlmaschinen bekannt gegeben, berichtet die Nachrichtenagentur AGI (Agenzia Giornalistica Italia). Dies sei mit den einzelnen Ministerien und Regierungschef Romano Prodi abgesprochen.

Hintergrund der Entscheidung sind offenbar auch die Vorkommnisse bei den Parlamentswahlen im April. Obwohl alle Wahlforschungsinstitute die Linke als klare Siegerin gesehen hatten, vermehrten sich in der Wahlnacht auf wundersame Weise die Anhänger des Rechtsbündnisses Forza Italia, der Partei des Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Umgekehrt ging der Anteil nicht ausgefüllter Stimmzettel entgegen dem Trend drastisch zurück: von 1,6 Millionen auf unter 450.000.

Das Hinterlassen sogenannter weißer Stimmzettel ist in Italien, wo Wahlpflicht herrscht, ein beliebtes Mittel, um gegen Politik und Parteien zu protestieren. Der Chefredakteur der linken Wochenzeitschrift Diario, Enrico Deaglio, behauptet nun, Helfer von Berlusconi hätten mehr als eine Million dieser Leerstimmen Forza Italia zugeschlagen. Sie sollen dafür eine spezielle Software eingesetzt haben, mit der sich die Datenübertragung aus den einzelnen Landesteilen zum zentralen Server in Rom manipulieren ließ.

Deaglio hat den Skandal-Stoff gleich zu einem Polit-Thriller verarbeitet, der seit einer Woche als DVD an allen Zeitungsständen ausliegt. In "Uccidente la democrazia" (Ihr tötet die Demokratie) erfahren die Zuschauer unter anderem, dass der Strippenzieher des Wahlbetrugs Ex-Innenminister Beppe Pisanu sein soll. Die eingesetzte Software habe eine US-Firma an den Sohn Pisanus geliefert. Auch die Staatsanwaltschaft in Rom schien dem Film einiges abgewinnen zu können – sie hat inzwischen eine Untersuchung eingeleitet und will die leeren Stimmzettel nachzählen lassen.

Untersuchungen von Wahlmaschinen im US-Bundesstaat Florida haben unterdessen keine Anhaltspunkte für gravierende Fehlfunktionen oder Manipulationen ergeben. In Sarasota County hatten Touch-Screen-Wahlcomputer des Herstellers ES&S bei den Wahlen zum US-Repräsentantenhaus Anfang November offenbar mehr als 18.000 der insgesamt 141.000 in dem Landkreis abgegebenen Stimmen nicht gezählt. Wegen des knappen Wahlausgangs (der republikanische Kandidat liegt mit weniger als 400 Stimmen vorne) ordnete Floridas Wahlbehörde zunächst eine Inspektion der Geräte an, die für die Wahl vorbereitet worden waren, in Sarasota County aber nicht zum Einsatz kamen.

"Bislang haben wir nichts Ungewöhnliches feststellen können", erklärte eine Behördensprecherin. Zwar habe es bei den Testläufen Abweichungen von Sollwerten gegeben, diese würden aber nicht sonderlich ins Gewicht fallen. Zusätzlich zu automatisierten Testläufen gaben an den vier untersuchten Wahlcomputern auch Freiwillige Stimmen nach Plan unter Videobeobachtung ab. Am morgigen Freitag sollen dann noch Geräte getestet werden, die bei der Wahl vor gut drei Wochen im Einsatz waren. (pmz)