Openleaks-Gründer warnt vor Beschneidung von Internetfreiheiten

Der frühere Wikileaks-Sprecher Daniel Domscheit-Berg sprach sich auf einer Konferenz zur Internetregulierung dagegen aus, das Netz als Werkzeug der nächsten Generation "in nationale Grenzen einzusperren".

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Der frühere Wikileaks-Sprecher Daniel Domscheit-Berg hat sich gegen Bestrebungen gewandt, das Netz als globales Werkzeug der nächsten Generation "in nationale Grenzen einzusperren". Die Politik dürfe nicht die grundlegenden Möglichkeiten des Internets beschneiden, erklärte der Gründer der sich noch im Aufbau befindlichen Informationsplattform Openleaks am heutigen Dienstag auf dem Internet Governance Forum Deutschland in Berlin, das Empfehlungen für das große Regulierungsforum der Vereinten Nationen im September in Nairobi ausarbeiten soll. Es werde sonst immer schwieriger, meinte der Online-Aktivist, Maßnahmen zur Begrenzung der Informationsfreiheit wieder rückgängig zu machen.

"Wir können die Bedeutung des Internets noch gar nicht richtig einordnen", warnte Domscheit-Berg vor gesetzgeberischen Schnellschüssen. Es sei besser "mal die Finger wegzulassen, wenn man nicht weiß, was das Richtige ist". Zudem müsse die Politik da ansetzen, wo Probleme wie Kindesmissbrauch geschehen, nicht etwa beim ineffektiven Sperren kinderpornographischer Inhalte im Web. Der Wikileaks-Aussteiger wunderte sich im Zusammenhang mit der Debatte um Blockaden inkriminierter Inhalte im Netz, dass die Veranstalter just die Landesvertretung Sachsen-Anhalt aus Tagungsstätte ausgewählt hatten. Die Staatskanzlei presche schließlich gerade als Koordinationsstelle für den geplanten neuen Glücksspielstaatsvertrag gegen die Informationsfreiheit vor.

Harald Lemke, Sonderbeauftrager für E-Government bei der Deutschen Post und Mitglied in der Internet-Kommission des Bundestags, pflichtete Domscheit-Berg bei, dass eine nationale Regulierung im digitalen Zeitalter "relativ schnell an Grenzen stößt", nötig sei "eine globale Governance". Auch Birgit Grundmann, Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, hält Spielregeln im Internet für nötig. Diese müssten aber nicht zwingend eine staatliche Regulierung bedeuten. Gebraucht würden grenzüberschreitende Mechanismen, die "die freiheitliche Dimension des Netzes erhalten" – dazu gehöre auch ein wirksamer Datenschutz. Meinungsfreiheit müsse aber in einen Ausgleich mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gebracht werden. 80 Millionen Deutsche dürften auch "nicht unter Generalverdacht" gestellt werden, wandte sich die Staatssekretärin zugleich gegen eine Neuauflage der sechsmonatigen Vorratsdatenspeicherung.

"Das Internet ist kein grundrechtsfreier Raum", betonte Rosemarie Will aus dem Bundesvorstand der Humanistischen Union. Der Ansatz der Vorratsdatenspeicherung sei grundsätzlich zu prüfen. Das Internet dürfe nicht genutzt werden, "um den Einzelnen lückenlos auszuspionieren". Auch eine anonyme Internetnutzung müsse gewährleistet sein: "Verschlüsselungsmöglichkeiten im Internetverkehr müssen konsequent gestärkt werden", befand Will. Andererseits dürfe die Realisierung von Grundrechten aber nicht an das Internet allein gebunden sein.

Malte Spitz vom Bundesvorstand der Grünen warb dafür, "den Leuten den Wert eines freien Internetzugangs stärker klarzumachen". Das Prinzip der Netzneutralität habe dabei "extremste Bedeutung". Wenn die Gesellschaft davon abrücke, werde das Internet in wenigen Jahren viel stärker die Interessen Einzelner berücksichtigen. Zugleich bemängelte Spitz, dass Akteure wie die Netzverwaltung ICANN oder die Telecom-Vereinigung ITU, die generell für Kommunikationsfreiheit einträten, beim Abbau der Infrastrukturen für Wikileaks oder dem Aufbau von Websperren geschwiegen hätten. Deutschland spiele bei der Diskussion über Internetfreiheiten eine "treibende Rolle". Umso bedauerlicher sei es daher, dass sich Deutschland in den Prozess des Internet Governance Forums in den vergangenen zwei Jahren trotz anderer Beteuerungen so gut wie gar nicht eingebracht habe.

[Update: Den Äusführungen des grünen Bundesvorstandsmitglieds zur Tatenlosigkeit der Netzverwaltung widersprach am Mittwoch Lutz Donnerhacke von der europäischen Nutzervertretung der ICANN. Obwohl ICANN gemäß der Statuten keine Veranwortung für Inhalte im Internet übernehme, werde ein Konsens mit allen Beteiligten bei der Mißbrauchsbekämfung angestrebt. Darüber hinaus habe die Organisation "im Rahmen der deutschen Netzneutralitätsdebatte beim Unterausschuß 'Neue Medien‘ des Bundestages klar Stellung für eine zielgerichtete Ursachenbekämpfung statt blinden Aktionismus bezogen", sagte Donnerhacke.] (vbr)