Digitale Gesellschaft: "In Deinem Land ab jetzt verfügbar"

Mit dem Verein Digitale Gesellschaft soll eine neue Nutzerlobby entstehen. Warum das notwendig ist und wie es funktionieren soll, erklärt Markus Beckedahl, Gründer von netzpolitik.org und Vorsitzender der neu gegründeten Organisation.

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  • Markus Beckedahl

Mit dem Verein Digitale Gesellschaft soll eine neue Nutzerlobby entstehen. Warum das notwendig ist und wie es funktionieren soll, erklärt Markus Beckedahl, Gründer von netzpolitik.org und Vorsitzender der neu gegründeten Organisation.

In den vergangenen sieben Jahren haben wir bei netzpolitik.org viele Erfahrungen mit dem Eintreten für digitale Freiheits- und Bürgerrechte gesammelt. Wir kamen aber immer wieder an den Punkt, an dem wir feststellen mussten, dass wir trotz allen Engagements nicht genügend Ressourcen zur Verfügung haben. Sieben Jahre und 10.000 Blog-Artikel später wird es daher Zeit für eine Weiterentwicklung.

Mit netzpolitik.org sind wir an einem Punkt angelangt, wo es immer schwieriger wurde, den eigenen Anspruch, gleichzeitig eine Kampagnenplattform und ein Informationsmediums zu sein, weiterentwickeln zu können. Unsere Leserinnen und Leser, Kommentatorinnen und Kommentatoren haben sich vervielfacht. Unsere Themen, früher Nischenthemen, sind heute nicht mehr nur für eine handvoll Menschen wichtig. Sie betreffen am Ende alle Bürger, weil auch bei Oma Erna die Digitaltechnik längst Einzug gehalten hat – selbst wenn sie es vielleicht nicht weiß, was ihre Waschmaschine oder das, was für sie Fernsehgerät heißt, so alles kann und tut. Für die uns ist klar: Die digitale Gesellschaft sollte nicht von vor allem wirtschaftlichen Partikularinteressen geleitet sein. Wir alle müssen ein gemeinsames Interesse daran haben, genauer hinzuschauen, was in Politik und Wirtschaft vor sich geht.

In Deutschland gibt es schon einige Initiativen und Organisationen rund um digitale Bürgerrechte, die eine großartige und wichtige Arbeit machen. Die Digitale Gesellschaft wird, wo immer möglich, mit ihnen zusammen an einer sachgerechten und nutzerfreundlichen Netzpolitik arbeiten. Aber es gibt auch Unterschiede: Wir sagen ganz klar, dass wir Interessen vertreten. Wir wollen ein Gegengewicht zu Wirtschaftsverbänden aufbauen, wo dies notwendig ist. Wir sind Watchdog und Lobbyorganisation, Ansprechpartner für Politik und Medien, wenn es um die Nutzerperspektive geht.

Medium und zentraler Knotenpunkt wird netzpolitik.org bleiben. Die Digitale Gesellschaft wird die transparente und offene Organisation, deren Aufgabe das Eintreten für die Rechte der Menschen in der digitalen Gesellschaft ist. Wir werden genau hinschauen, was passiert. Ob in der Bundesrepublik Deutschland oder auf EU-Ebene: In den nächsten Jahren werden wesentliche Weichen für die Zukunft unserer Gesellschaft gestellt. Dabei orientieren wir uns an der Umweltbewegung mit Organisationen wie Greenpeace, aber auch an befreundeten Organisationen aus dem europäischen Ausland. In den vergangenen Jahren haben sich in benachbarten Ländern Digital Rights-Organisationen wie Bits of Freedom (Niederlande), La Quadrature du Net (Frankreich) oder die Open Rights Group (Großbritanien) mit einem ähnlichen Konzept gegründet, um professioneller für digitale Bürgerrechte eintreten zu können.

Dazu werden wir eine Kampagneninfrastruktur aufbauen, um mit vielen Partnern bessere Kampagnen für digitale Bürgerrechte durchführen zu können. Wir wollen zusammen mit Designern visuell und kommunikativ gute Kampagnen machen, um auch Menschen außerhalb sehr internetaffiner Kreise für Netzpolitik zu interessieren. Und wir wollen uns als Nutzer-Interessenvertretung in politische Prozesse einmischen – durch Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen oder Gesprächen mit Politikern.

Die Politik beschäftigt sich mit der digitalen Welt. Doch sie tut dies getrieben von Problemen, von Wirtschaftsinteressen und weniger aus der Perspektive heraus: Wie möchten wir eine Gesellschaft im digitalen Zeitalter gestalten? Netz und Vernetzung sind aus unserer Sicht großartig – wenn man sie richtig und für die Menschen nutzt. Wir sind nicht blind technikgläubig, gerade weil wir sie kennen und schätzen.

Das alles steht und fällt mit dem Engagement der Bügerinnen und Bürger: Nur gemeinsam kann das gelingen. Wir möchten Möglichkeiten schaffen und Ansprechpartner sein. Wir haben Erfahrung mit Politik, Wirtschaft und den handelnden Akteuren – dieses Wissen möchten wir den Nutzerinnen und Nutzern zugänglich machen um sie in die Lage zu versetzen, für ihre Interessen einzutreten. Wir haben für unsere Arbeit bei netzpolitik.org nie um Spenden jenseits von Flattr gebeten, auch weil uns eine nachvollziehbare und transparente Möglichkeit in Form eines gemeinnützigen Vereins fehlte. Das holen wir jetzt nach: Wer sich für unsere Arbeit bedanken möchte, kann Digitale Gesellschaft auch finanziell unterstützen.

Beginnen wollen wir mit einer Frage: Warum? Es gibt viele Fragen, die man zur derzeitigen Netzpolitik stellen kann. Warum ist dieser Inhalt in meinem Land nicht verfügbar? Warum kann ich meine E-Books nicht weiterverkaufen? Warum wollen CDU/CSU und SPD wissen, mit wem ich telefoniere? Hinter solchen Fragen stehen große Themenkomplexe. Wir möchten dazu auffordern, eigene Fragen zu formulieren. Jeder Nutzer hat sein "Warum?". Und genau das möchten wir gerne von ihm oder ihr hören.

Was vor uns liegt, wird kein Spaziergang sein. Sondern jede Menge harte Arbeit. Wer packt mit an? (jk)