Juristischer Rückschlag für Musikindustrie im Kampf gegen Raubkopierer

Das Oberlandesgericht München hat entschieden, dass ein Provider genauere Nutzerinformationen beim Verdacht auf Betrieb illegaler FTP-Server nicht preisgeben muss.

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Das Oberlandesgericht München hat entschieden, dass Provider Nutzerdaten beim Verdacht auf Betrieb illegaler FTP-Server auf Grund des Urheberrechts nicht preisgeben müssen. In einem jetzt bekannt gewordenen Beschluss vom November (Az. 6 U 4696/04) hat die Berufungsinstanz dem Antrag eines Internetanbieters stattgegeben, der sich gegen eine anders lautende Entscheidung des Landgerichts München I (Az. 21 O 10372/04) wendet. Das Label BMG hatte darin als Rechteverwerter von ihm betreuter Künstler zunächst im Juli das Recht zugesprochen bekommen, bei der Verfolgung potenzieller illegaler Download-Angebote vom Zugangsanbieter Auskunft über die näheren Umstände der vermuteten Rechtsverletzung des Kunden verlangen zu können.

Der Münchner Fall ist ähnlich gelagert wie ein in Hamburg anhängiger Rechtsstreit, in dem Universal Music als Kläger auftritt. Einen dritten "Musterprozess" rund um die heftig umstrittenen Auskunftsansprüche gegen Provider ficht EMI momentan in Köln durch.

Die Plattenfirma BMG wollte in dem jetzt vom Berufungsgericht entschiedenen Fall mit Hilfe einer einstweiligen Verfügung auf dem zivilrechtlichen Weg erreichen, dass ihr der beklagte Provider beispielsweise auch Auskunft über die Menge der von dem beanstandeten Server heruntergeladenen Stücke und Alben einzelner Künstler geben müsse. Das Landgericht München erkannte die Verfügung in einem umfangreichen Urteil an, wogegen sich der betroffene Zugangsanbieter mit dem Antrag auf eine einstweilige Einstellung der drohenden Zwangsvollstreckung gemäß Zivilprozessordnung wehrte. Das Oberlandesgericht stellte das Verfahren daraufhin gegen eine am Streitwert orientierte Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000 Euro einstweilen ein.

Zur Begründung schreiben die Richter in ihrem heise online vorliegenden Beschluss, dass es "bereits sehr zweifelhaft" erscheine, dass überhaupt eine Urheberrechtsverletzung gemäß Paragraph 101 a Urheberrechtsgesetz (UrhG) vorliege. Noch mehr fraglich sei, "ob die Verfügungsbeklagte an einer -- unterstellten -- Urheberrechtsverletzung beteiligt ist". Die Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch "zur effektiven Bekämpfung von Verletzungen immaterieller Schutzgüter beitragen", wie es in Paragraph 101 a UrhG heißt, lägen daher nicht vor. Dem untergeordneten Landgericht schreiben die Richter zudem leicht vorwurfsvoll ins Stammbuch, dass es sich in dem Verfahren um "einen der seltenen Ausnahmefälle" handle, "in denen offensichtlich ist, dass das angefochtene Urteil keinen Bestand haben kann".

Der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft, der den Kampf der Labels gegen Raubkopierer mit unterstützt, hält sich mit einer Einschätzung des Beschlusses zurück. Es müsse zunächst geklärt werden, wie sich die Lage weiter entwickle, sagte ein Sprecher gegenüber heise online. Die Musikindustrie fährt momentan zweigleisig bei der Verfolgung von Urheberrechtsverletzern im Internet. Zum einen geht sie strafrechtlich in bislang gut 200 Fällen gegen Raubkopierer vor und kann dabei immer wieder Erfolge vorweisen. Zum anderen möchte sie zivilrechtlich den direkten Auskunftsanspruch, um schneller reagieren zu können. Dieser Weg würde laut Ansicht der Phonoverbände "allen Beteiligten etwas ersparen", betonte der Sprecher. Schließlich müssten die Urheberrechtsverletzer im strafrechtlichen Verfahren auch noch in der Regel die Gerichtskosten tragen. Datenschützer und die Provider warnen dagegen vor tiefen Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis.

Um die begehrten Informationsrechte gegenüber den Providern kämpfen die Labels nicht nur vor Gericht, sondern gemeinsam mit anderen Teilen der Medienindustrie auch im Rahmen der umstrittenen weiteren Reform des Urheberrechts. Christian Sommer aus dem Vorstand der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) erklärte in diesem Zusammenhang gegenüber heise online, dass für eine "effektive Verfolgung von Rechtsverletzern" angesichts dieses Beschlusses ein gesetzlich festgeschriebener Auskunftsanspruch "notwendiger denn je" sei. Die Regelung müsse in die Novelle des Urheberrechts mit aufgenommen werden, da eine Lösung durch die Gerichte "offensichtlich" nicht erreicht werde. Politiker der rot-grünen Regierungskoalition haben sich allerdings bereits klar gegen einen verbrieften Datensammelanspruch von Privatunternehmen ausgesprochen. (Stefan Krempl) / (jk)