Fahrer, konzentriere Dich!

Forscher bei Microsoft Research arbeiten an einer Automatik für das Auto, die Telefonate bei gefährlichen Fahrsituationen in die Warteschleife schicken soll.

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Von
  • Duncan Graham-Rowe

Forscher bei Microsoft Research arbeiten an einer Automatik für das Auto, die Telefonate bei gefährlichen Fahrsituationen in die Warteschleife schicken soll.

Telefonieren mit dem Handy am Steuer ist bekanntlich längst verboten – nicht nur in Deutschland, sondern in immer mehr Ländern der Erde. Doch auch die Nutzung einer Freisprecheinrichtung für wichtige Gespräche kann den Fahrer signifikant vom Verkehrsgeschehen ablenken. Forscher bei Microsoft Research arbeiten deshalb nun an einem Warnsystem, das Unfälle vermeiden soll, indem Anrufer automatisch in eine Warteschleife geschickt werden, sollte die Fahrsituation es verlangen. Eine solche Technik, so sagen die Wissenschaftler nach mehreren Testrunden voraus, könnte die Unfallgefahr deutlich reduzieren.

Laut der amerikanischen Autobahnsicherheitsbehörde NHTSA kann die Handynutzung im Auto die Reaktionszeit des Fahrers im schlimmsten Fall so stark reduzieren wie ein Blutalkoholspiegel von 0,8 Promille. Die meisten US-Bundesstaaten haben das Handy am Steuer daraufhin untersagt, die Hälfte davon verbietet das Telefonieren auch mit Freisprecheinrichtung zumindest bei Fahranfängern und Fahrern von Schulbussen.

Die Microsoft-Research-Forscher Shamsi Iqbal und Yun-Cheng Ju haben ihr System in einem realistischen Fahrsimulator getestet. 18 Probandenpaare nahmen teil. Dabei musste immer eine Testperson eine virtuelle Strecke abfahren, während die andere ihr über Lautsprecher Fragen stellte. Die virtuelle Strecke enthielt auch Baustellen, starken Innenstadtverkehr und vielbefahrene Wohngegenden.

Das Testsystem gab einen hörbaren Alarm ab, sobald die Straßenverhältnisse schwieriger wurden – an den Fahrer wie an den Anrufer. Hörten die beiden dann nicht mit dem Gespräch auf, wurde der Anrufer in eine Warteschleife geschickt. Bei Verwendung des Systems reduzierte sich die Anzahl der Fahrfehler deutlich: von einem Fehler alle 1,4 Minuten zu einem alle 7,1 Minuten. Das Alarmsignal senkte die Fehlerquote sogar noch gegenüber regulären Fahrten ohne Warnsystem. "Das zeigt, dass solche Systeme die Fahrt nicht nur bei Telefongesprächen sicherer machen könnte, sondern insgesamt", meint Forscher Iqbal.

An einer Version ihres Systems, die auch ins Fahrzeug eingebaut werden kann, arbeiten Iqbal und Ju bereits. "Die Idee dabei ist, ein System zu haben, das Geschwindigkeit und Position via GPS erfasst und kommende Verkehrsgefahren basierend auf Unfallstatistiken vorhersagt", erläutert Eric Horvitz, der die Studie koordinierte. Technisch schwierig wäre das wohl nicht: Die Technik würde ähnlich funktionieren wie die aus Navigationssystemen bekannten Blitzerwarner.

Die Daten erhalten die Microsoft-Forscher von der NHTSA und örtlichen Behörden. "Wir legten diese Werte auf ein Straßennetz, um eine Karte mit Hotspots zu erzeugen, die die Unfall- und Verletztendichte zeigt", sagt Horvitz. Die Informationen sollen zusätzlich noch mit Daten über aktuelle Verkehrsbehinderungen ergänzt werden. "Dazu kann man sich eine Smartphone-App vorstellen, die jeder dann verwenden könnte."

An technischen Systemen, die die Fahrerablenkung in den Griff bekommen sollen, wird auch an anderen Einrichtungen gearbeitet. "Viele Leute arbeiten mittlerweile enorm viel, da ist das Fahren Zeitverschwendung für sie", sagt Paul Green, der am Verkehrsforschungsinstitut der University of Michigan das Forschungsgebiet "Driver Distraction" leitet. "Wenn ein Fahrer also weiterarbeiten kann, indem er mit jemandem telefoniert, tut er das auch." Warnsysteme ließen sich zumindest anfangs schwer ignorieren. Der Nachteil: Eventuell findet dadurch auch eine Desensibilisierung gegenüber der Außenwelt statt. (bsc)