Computex

Das Finale

Die Messe in Taiwans Hauptstadt Taipeh ist beinahe vorüber – Zeit für ein Resümee sowie einen Blick auf die Highlights und die bunten Seiten der Show.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Georg Schnurer

Jeremy M. C. Horng, Executive Director der Taitra, freut sich über besonders viele ausländische Messebesucher bei der Computex 2011.

Die Computex 2011 ist zwar noch nicht offiziell vorbei, doch zumindest der Business-Teil ist für die meisten Aussteller erledigt: Am heutigen Samstag sind auch Endanwender auf der sonst eher Fachbesuchern vorbehaltenen zweitgrößten IT-Messe der Welt willkommen. Folgerichtig zogen die Veranstalter Taitra und TCA auf der Abschluss-Konferenz Bilanz. Wie bei Messeveranstaltern üblich, fiel diese positiv aus. Man freute sich über gut 120.000 Besucher, darunter – Stand Samstag, 11 Uhr Ortszeit – 36.102 sogenannte "International Buyers", vornehmlich aus China, Hong Kong, den USA, Japan und Korea. Das sind laut Teitra 3,1 Prozent mehr als im letzten Jahr. Trotz allem wirkten die Messehallen 2011 nicht mehr so voll wie in den letzten Jahren. Unseren Eindruck, dass sich deutlich weniger Europäer auf der Computex aufhielten als noch vor einigen Jahren, bestätigten diverse Aussteller, deren Kerngeschäft in Europa liegt.

Die überwiegende Stimmung der Aussteller war optimistisch. Man geht allgemein davon aus, dass sich die Weltwirtschaft bis zum vierten Quartal 2011 erholen wird und dann auch der Absatz von IT-Gütern wieder deutlich steigt. Viele Hersteller orientieren sich aber immer mehr Richtung China: Das bislang ungebrochene Wachstum der zahlenmäßig größten Volkswirtschaft der Welt lockt.

Verlockungen gibt es durchaus in beide Richtungen: Während die taiwanischen Hersteller nach China schauen, versuchen immer mehr chinesische Unternehmen, Zugang zu den angestammten Märkten der taiwanischen Hersteller zu bekommen. Vielen Festlandchinesen reicht es längst nicht mehr, nur die "Werkbank" der Welt zu sein. Man versucht deshalb zunehmend selbstbewusst unter eigenem Namen aufzutreten. Die Computex ist für solche Gehversuche die Ideale Plattform, tummeln sich doch hier die Einkäufer der Welt.

Das Computex-Team 2011 - kaum ist die Messe gelaufen und das Gruppenfoto geschossen geht es bereits an die Organisation der Computex 2012, die noch größer als die gerade zuende gegangene Computex 2011 werden soll.

Mit gut 1800 Ausstellern war die Computex ausgebucht: Es hätten durchaus einige Hundert mehr sein können, wenn es denn genug Hallenfläche gäbe. Damit man in Zukunft nicht so vielen Bewerbern einen Korb geben muss, fahren die Veranstalter eine Doppelstrategie: Zum einen plant man für 2012, eine provisorischen Ausstellungsfläche auf dem Parkplatz neben der Nangang-Halle zu errichten. Zum anderen soll noch in diesem Jahr mit dem Bau einer zweiten Halle in Nangang begonnen werden. Ein passendes Gelände dafür gibt es bereits: Eine marode Schule räumt ihr angrenzendes Gelände und zieht um. Die neue Messehalle soll in drei bis vier Jahren fertiggestellt sein. Sie wird allerdings nicht ganz so groß wie die bereits existierende werden. Über die viel befahrene Straße zwischen den beiden Hallen soll eine breite Überführung gebaut werden.

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Die Highlight der zu Ende gehenden Computex 2011 waren leicht auszumachen: Tablets, 3D und Cloud Computing sind die Schlagwörter, die zur Zeit die IT-Welt bewegen. Entsprechend konnte man auf der Messe reichlich mehr oder minder überzeugende Tablets entdecken. Für einige Aufregung sorgte etwa das 7-Zoll-Tablet von Viewsonic, das mit Android 3.0 alias Honeycomb ausgeliefert wird. Da Google für Android 3.0 eigentlich eine Displaygröße von mindestens 10 Zoll vorschreibt, musste man etwas tricksen: Nach Auskunft eines Produktmanagers vermittelt ein Scaler-Chip zwischen virtueller und realer Displaygröße. Wie gut das in der Praxis klappt, bleibt abzuwarten. Laut Viewsonic soll der Android-Market etwas zickig auf skalierende Apps reagieren. Möglicherweise missfällt auch Google die sehr großzügige Auslegung der Design-Richtlinien durch Viewsonic. Da aber auch andere Unternehmen wie Acer 7"-Tablets mit Honeycomb zeigten, könnte sich Google wohl auch zu einer Designvorgabenänderung drängen lassen – warten wir es ab. Auf den Markt kommen die kleinen Honig-Androiden ohnehin erst in einigen Monaten.

Andere Tablet-Hersteller, etwa Gigabyte, gehen da gleich andere Wege und nutzen Windows 7 für ihre Geräte. Dass die aktuelle Windows-Version alles andere als ideal für ein fingerbedientes Tablet ist, wissen aber nicht nur die Tablet-Produzenten, sondern auch Microsoft, das die Computex nutzte, um einen Ausblick auf die kommende Oberfläche von Windows 8 zu geben.

Windows 8 war einer der Stars dieser Computex. Das System lief bei der Demonstration auf Notebooks mit Core i5, AMDs zukünftigen Llano - und auf einem Tablet mit ARM-Kern.

VIA kündigte einen Quad-Core-Prozessor an und AMD trommelte auf der Messe für die Tablet-Prozessoren Desna und Hondo, die nun auf der Roadmap zu finden sind. Dabei galten Tablets bis vor kurzem bei AMD noch als Nischengeschäft, das man gern den anderen überlässt. Daneben präsentierte AMD die 900er-Chipsätze für die irgendwann einmal auf den Markt kommende Bulldozer-CPU. Passende Boards waren auch gleich bei mehreren Herstellern zu sehen, doch wenn man dort nach den Absatz-Erwartungen fragte, winkten die meisten Hersteller ab.

Damit bei Intel insbesondere im Vergleich zum immer beliebter werdenden ARM-Kern nichts anbrennt, hat man schnell noch einen extrabilligen, aber eben auch extralangsamen Atom-Prozessor in die Roadmap gehievt: Der N435 besitzt nur einen Kern und läuft mit lediglich 1,33 GHz. Damit ist er der Atom mit der geringsten Taktrate. Doch Intel wäre nicht Intel, wenn man es dabei beließe: Da der Hersteller im Mobilmarkt große Zukunftsperspektiven sieht, beglückte er die Welt auch gleich mit einem neuen Marketing-Begriff: Ende 2012 sollen 40 Prozent der verkauften Consumer-Notebooks zur frisch geschaffenen Gattung der "Ultrabooks" gehören, verkündete Intels Vizepräsident Sean Maloney auf der Computex. Ja und was genau ist ein Ultrabook? So ganz genau legt man sich bei Intel da nicht fest. Klar ist nur: es ist dünn, leistungsstark, leise und für unter 1000 Euro zu haben.

Doch auch am oberen Ende der Leistungsskala gab es Neuheiten: Diverse Board-Hersteller zeigten – sicher nicht ohne Intels Segen – Mainboards für Sandy-Bridge-Xeons E5-2400 und E5-2600, was einige Spekulationen über die kommenden Server-Prozessoren des Marktführers ermöglicht.

Im traditionell aus Taiwan belieferten Komponentenmarkt herrschte dagegen eher betretene Stimmung: Der Desktop-Markt schrumpft, Wachstum dürfte es auf absehbare Zeit nur auf Kosten der Konkurrenz geben. Zudem fehlten hier etwa im Grafikmarkt Ankündigungen der Großen AMD und Nvidia. Dennoch waren einige interessante neue Produkte zu sehen. Auch bei Netzteilen tat sich einiges. Insbesondere das Thema "Energieeffizienz" rückt in den Mittelpunkt des Interesses.

Natürlich konnte man auch auf dieser Computex wieder jede Menge "Buntes" bewundern, das wahrscheinlich nie den Sprung auf den europäischen Markt schaffen wird. Die üblichen bunt bis kitschigen USB-Sticks füllten auch 2011 so manche Vitrine in den Messehallen. Wirklich erwähnenswerte Kuriositäten konnten wir nicht entdecken. Die Computex wird halt auch älter und braver. Völlig spaßbefreit ist die Messe aber noch lange nicht. Im Gegenteil: Besonders das auf den Messeständen gebotene Unterhaltungsprogramm scheint von Jahr zu Jahr zuzunehmen. Show-Girls erblickt man überall an den Ständen und durch die Gänge ziehen nach wie vor leicht beschürzte Mädels mit simplen Werbebotschaften. Dem vorwiegend männlichen Messepublikum scheint das durchaus recht zu sein: Wann immer sich eine der Damen räkelt, zückt ein Heer von Besuchern die selten kleinen Kameras und knipst, was das Zeug hält. (gs)