Tallinn wird Hauptquartier der europäischen Agentur für große IT-Systeme

Die estnische Hauptstadt soll Sitz der IT-Agentur für Freiheit, Sicherheit & Recht werden und vor allem für das geplante Schengen-Informationssystem II zuständig sein. Dieses allerdings wird sich voraussichtlich verzögern.

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Von
  • Detlef Borchers

Tallinn, Hauptstadt des baltischen Staates Estland, wird Sitz der neuen europäischen Agentur für große IT-Systeme. Die EU-Innenminister haben diesem Vorschlag der EU-Kommission auf ihrer seit gestern tagenden Sicherheitskonferenz in Luxemburg zugestimmt. Die seit Längerem geplante IT-Agentur für Freiheit, Sicherheit & Recht soll vor allem für das Schengen-Informationssystem II (SIS II) zuständig sein.

Die IT-Agentur für Freiheit, Sicherheit und Recht soll neuen Schwung in die Entwicklung von SIS II bringen. Die zentrale Datenbank von SIS II verbleibt im französischen Straßburg, mit einem Backup-System im österreichischen St. Johann. Der anvisierte Starttermin von SIS II wird aber voraussichtlich nicht mehr zu halten sein. Statt im ersten Quartal 2013 soll die Datenbank Anfang 2014 oder 2015 in den Wirkbetrieb gehen, wurde nun bekannt.

Den Grund für die erneute Verzögerung sieht die EU-Kommission bei den Mitgliedsstaaten und ihrer Entwicklung nationaler SIS-II-Adapter. Das sieht man in Deutschland ganz anders, dort wird auf das Missmanagement des Projektes hingewiesen. So soll es bei der Entwicklung von Protokoll-Analyzern durch Atos Origin Rückschläge geben. Mit ihnen wird geprüft, ob das System fehlerfrei arbeitet. Allerdings ist Deutschland auch im Rückstand. Der nationale SIS-Adapter arbeitet auf einem PA-Risc-System unter HP-UX, das nicht mehr weiterentwickelt wird. Das Gros der EU-Staaten setzt auf Red Hat Linux. Deutschland, Frankreich und Österreich sehen sich in ihrer massiven Kritik an SIS II bestätigt. Die drei Länder hatten sich im April vorigen Jahres geweigert, die SIS-II-Testläufe als "erfolgreich" zu bewerten, weil die Antwortzeiten auf Fahndungsabfragen "inakzeptabel" waren.

Weiter wurde bekannt, dass die in Polen ansässige europäische Grenzschutz-Agentur Frontex massiv ausgebaut werden soll. Der estnische Innenminister Ken-Marti Vaher freute sich indes im Fernsehen, dass sein Land den im Dezember 2010 ins Auge gefassten Kandidaten-Spitzenplatz in der Innenminister-Runde verteidigen konnte. Neben SIS II werden von Tallinn aus das demnächst startende Visa-Informationssystem (VIS) und die Fingerabdruck-Datenbank EURODAC betrieben. Bis zuletzt soll es Widerstand aus Portugal gegeben haben, wo SIS one 4 All entwickelt wird, die aktuelle Fortschreibung des ersten europäischen Fahndungssystems SIS I. Es sollte nach den Plänen der EU bereits 2006 von SIS II abgelöst werden, das neben Personen und Sachangaben auch mit biometrischen Daten arbeiten soll. Gegenwärtig läuft ein erweitertes System, das den Namen SIS I+R2 trägt. (anw)