Deutschland könnte zum Testmarkt für Breitband-Angebote von Vodafone werden
Arcor steht nicht mehr auf der Verkaufsliste der Briten, berichtet die "Times". Vielmehr könnte die profitable Festnetz-Tochter zur Vorreiterin bei Triple-Play-Angeboten des Konzerns werden.
Der CEO des britischen Mobilfunk-Konzerns Vodafone plc schiebt frühere Verkaufspläne für seine Konzerntochter Arcor auf die lange Bank. Vielmehr könnte der deutsche Festnetzanbieter, der im Geschäftsjahr 2004/05 1,6 Milliarden Euro umsetzte, eine Schlüsselrolle bei der Umwandlung von Vodafone von einem reinrassigen Mobilfunkanbieter in einen Anbieter von Konvergenzprodukten aus Mobilfunk und Breitband werden. Dies berichtet die Londoner Times unter Berufung auf nicht namentlich genannte Quellen aus der Londoner City.
Demzufolge trägt Arcor, die rund eine Million DSL- und 1,25 Millionen Telefonkunden mit eigener Infrastruktur angeschlossen hat, nennenswert zu den Erträgen des Vodafone-Konzerns bei. Im Geschäftsjahr 2004/2005 erwirtschaftete Arcor mit rund 3900 Mitarbeitern ein Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) von 246 Millionen Euro; im Dreivierteljahr zwischen April und Dezember 2005 betrug der Umsatz 1,4 Milliarden Euro und das EBITDA 219 Millionen Euro, zugleich investierte Arcor in diesen neun Monaten mit 171 Millionen Euro bereits mehr als in dem vorausgegangenen Geschäftsjahr.
Deutschland könnte zum Testmarkt für kombinierte Angebote aus Mobilfunk, Festnetz und Breitband-Diensten werden, heißt es weiter. Für Vodafone käme dieser Strategiewechsel vom Mobilfunkspezialisten zum Triple Player einer Kehrtwende ("U-turn") gleich. Ob der konzernintern umstrittene Group-CEO Arun Sarin die Führungsgremien von diesem Strategiewechsel überzeugen kann, könnte sich auf der für den 30. Mai erwarteten Strategiepräsentation des Konzerns erweisen.
Dann könnte auch das berufliche Schicksal zweier langjähriger Mitglieder des Vodafone-Boards entschieden sein, die sich in der Auseinandersetzung um die Vodafone-Strategie exponiert hatten, meldet die Sunday Times. Mit Paul Hazen steht demnach ein langjähriger Wegbegleiter von Arun Sarin auf der Abschussliste, dem von Investoren mangelnde Unabhängigkeit vom CEO vorgeworfen wird. Mit Penny Hughes könnte ein Aufsichtsratsmitglied vor die Tür gesetzt werden, die den scheidenden Aufsichtsratschef Lord MacLaurin unterstützte, als dieser erfolglos versucht hatte, Sarin durch einen Nachfolger zu ersetzen.
Über einen Einstieg von Vodafone ins Festnetzgeschäft wurde in der jüngeren Vergangenheit bereits mehrfach spekuliert, im April hieß es, dass Vodafone gar Zukäufe im Festnetz-Bereich plane. Diese Spekulationen werden unter anderem dadurch genährt, dass im Zuge des zum 1. Mai erfolgten Umbaus der Konzernstruktur mit Thomas Geitner ein Deutscher als CEO für das neue Ressort "New Businesses & Innovation" verantwortlich ist, der vor seinem Einstieg bei Vodafone/Mannesmann bereits den Festnetzanbieter geführt hatte.
Deutliche Anzeichen für eine Schieflage im Vodafone-Konzern sind der Ausstieg aus dem glücklosen Engagement in Japan sowie anhaltende Spekulationen um einen Rückzug aus den US-Geschäft. Dieser werde "zunehmend unausweichlich", meldet die Sunday Times. Dass ausgerechnet Arcor am Beginn einer strategischen Neuausrichtung des Vodafone-Konzerns stehen könnte, wäre eine bemerkenswerte Wendung in der wechselvollen Firmengeschichte der Eschborner, deren Wurzeln auf die Fernmeldeabteilung der Deutschen Bundesbahn zurückgehen. Arcor war im Rahmen der Mannesmann-Übernahme unter das Konzerndach von Vodafone geraten. Die spektakuläre Übernahme des deutschen Traditionskonzerns hatte bei Vodafone sechs Jahre später zu milliardenschweren Abschreibungen geführt. (ssu)