Steve Crocker neuer ICANN-Vorsitzender

Der CEO der an DNSSEC beteiligten Sicherheitsfirma Shinkuro und Autor des Request for Comment Nummer 1, trat auf dem 41. Treffen der ICANN in Singapur die Nachfolge des neuseeländischen Juristen Peter Dengate Thrush an.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 3 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert

Der Vorstand der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) hat sich einen Internet-Pionier der ersten Stunde als neuen Vorsitzenden ausgesucht. Stephen Crocker, CEO der an DNSSEC beteiligten Sicherheitsfirma Shinkuro und Autor des Request for Comment (RFC) Nummer 1, trat am heutigen Freitag auf dem 41. Treffen der ICANN in Singapur die Nachfolge des neuseeländischen Juristen Peter Dengate Thrush an. Crocker sprach in seiner Antrittsrede von großen Herausforderungen wie den diese Woche beschlossenen Start der neuen TLDs und den weiteren Umbau der Organisation zu einer globalen Selbstverwaltung. Als Crockers neuer Vizechef wurde Bruce Tonkin von Melbourne IT gewählt. Zusammen mit Dengate Thrush verlässt die hochgelobte US-Juristin Rita Rodin den Vorstand.

Crocker war seit Herbst 2010 Vizevorsitzender der ICANN, zuvor hatte er das ICANN-Expertengremium für Sicherheit und Stabilität aufgebaut. Mit seiner Wahl bekommt die Netzverwaltung zum ersten Mal seit 2003 wieder eine US-Doppelspitze. ICANN-CEO Rod Beckstrom war unmittelbar vor seiner Rekrutierung als ICANN-Verwaltungschef kurze Zeit Direktor des "National Cybersecurity Center" des US-amerikanischen Ministeriums für innere Sicherheit. Sebastian Bachollet, einer der beiden unterlegenen Kandidaten aus dem Kreis des Vorstands, der für die Nutzergemeinde im Vorstand sitzt, bezeichnete die Wahl vor dem Hintergrund der Internationalisierung der ICANN als nicht optimal.

Dengate Thrush hatte sich in seiner Amtszeit für mehr Unabhängigkeit der ICANN stark gemacht. Nachdem die Aufsichtsrolle über die ICANN an internationale Evaluierungsteams im Rahmen eines "Affirmation of Committments" übertragen wurde, hätte der Neuseeländer gerne auch noch den Vertrag zwischen der US-Regierung und der ICANN über den Betrieb der Internet Assigned Numbers Authority (IANA) so verändert, dass die Aufsicht über die zentrale Rootzone mit internationalisiert worden wäre. Dem hatte die für die Aufsicht zuständige National Telecommunications and Information Administration (NTIA) allerdings kürzlich erst einmal eine Absage erteilt, vielmehr sucht sie mit einer neuen Klausel, über die IANA eine politische Notbremse bei der Einführung von neuen TLDs einzuführen.

Crocker sagte im Gespräch mit heise online, das von der NTIA vorgelegte Konzept sei zunächst ein Vorschlag und für Kommentare und Veränderungen offen. Es ziele eher darauf, technische Aufgaben und politische Entscheidungsprozesse zu trennen. Auf die Fragen wie sich diese Zielsetzung damit vertrage, dass die IANA selbst noch einmal überprüfen soll, ob es einen Konsens für eine neue TLD gebe, sagte Crocker: "Ich glaube, man hat ein sinnvolles Konzept vor Augen. Die Formulierung ist vielleicht noch nicht ganz die richtige."

Die Aufsichtsrolle der USA über die Rootzone ist für Crocker eher ein kosmetisches Problem, in der Praxis habe es bislang aber so gut wie keine Beschwerden gegeben. Für Crocker, der die DNSSEC-Signierung der Rootzone maßgeblich mit auf den Weg gebracht hat, ist daher auch eine internationale Verteilung der zentralen Masterschlüssel keine vordringliche Aufgabe.

Viel zu tun bekommt der neue Vorsitzende erst einmal mit der Umsetzung der verabschiedeten Einführung neuer Top Level Domains. Hier zeigt sich Crocker ganz als Vertreter klassischer Internetphilosophie. Gefragt, ob er die Skepsis vieler Techniker teilt, die 500 oder 1000 neue TLDS für unnötig halten, sagte Crocker: "Die Grundidee der Öffnung des Namensraumes ist, all denen, die glauben, dass sie eine gute Idee haben, die Chance zu geben, die Idee auszuprobieren. Es ist nicht unsere Aufgabe zu sagen, ob diese Ideen erfolgversprechend sind oder nicht. Wir müssen nur sicherstellen, dass kein Schaden angerichtet wird." Neben der technischen Seite gebe es auch noch die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Seite. Crocker mochte nicht darüber spekulieren, ob eine zweite Bewerbungsrunde für neue TLDS unverzichtbar ist. (anw)