Weste führt Blinde

US-Forscher haben eine Kombination aus Bilderkennungs- und taktilem Feedbacksystem geschaffen, mit dem sich Sehbehinderte an unbekannten Orten orientieren können.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 3 Min.

US-Forscher haben eine Kombination aus Bilderkennungs- und taktilem Feedbacksystem geschaffen, mit dem sich Sehbehinderte an unbekannten Orten orientieren können.

Begeben sich sehbehinderte Menschen in eine neue Umgebung, benötigen sie normalerweise einen Blindenstock, um sich ohne fremde Hilfe zu orientieren. Forscher am Viterbi-Institut der University of Southern California in Los Angeles wollen dieser Low-Tech-Lösung nun eine High-Tech-Variante entgegensetzen: Eine Kombination aus einem Bilderkennungssystem und einer Weste, die Blinde durch taktiles Feedback, also spürbare Signale, sicher und ohne große Anstrengung durch ihre Umwelt leitet.

"Wir wollten ein Bilderkennungssystem bauen, das nicht nur erkennt, was sich um eine Person befindet, sondern ihr auch direkte Anweisungen gibt, wo sie sich am besten hinbegeben sollte", sagt Projektleiter James Weiland. Dazu gehört nicht nur das Vermeiden von Verletzungen, sondern auch die Hilfe im täglichen Leben: So könnte die Technik Blinde etwa zu einem gewünschten Supermarkt oder einem Restaurant lotsen. "Wir erweitern damit ihren Horizont - den Bereich, in dem sich diese Menschen ohne Probleme bewegen können."

Momentan als Prototyp fertiggestellt, besteht die sogenannte Guidevest aus einer Stereo-Helmkamera, die räumliche Bilder, also auch Tiefenwerte, erfasst. Eine Software erstellt ständig eine Karte der Umgebung aus diesen Daten und ermittelt so, wenn sich ein Gegenstand - ein Laternenmast oder eine Bank, beispielsweise - auf der beabsichtigten Wegstrecke befindet. Das "Simultaneous Localization and Mapping" genannte Programm (SLAM) arbeitet in Echtzeit.

In der Weste stecken insgesamt vier kleine Vibrationsmotoren, wie man sie aus Handys kennt. An Schultern und im Bauchbereich montiert, geben sie sofort verständlich an, wo sich ein Hindernis befindet: Links, rechts, oben oder unten. Das reichte im Test aus, um eine Versuchsperson durch einen Parcours mit diversen Objekten zu lotsen. Blinde Menschen, die im Auftrag des Braille-Instituts die Weste testeten, waren voll des Lobes: Sie konnten komplexere Umgebungen navigieren als nur mit einem Blindenstock.

Das Viterbi-Team will mit der Technik, wenn alles klappt, beispielsweise teure Blindenhunde ersetzen, von denen längst nicht genügend Jahr für Jahr trainiert werden können. Laut der amerikanischen Blindenstiftung benutzen über 100.000 ihrer Mitglieder noch Blindenstöcke, während es derzeit im Land nur 7000 zur Hilfe sehbehinderter Menschen ausgebildete Vierbeiner gibt.

Die Blindenstock-Nutzung kommt mit ihren eigenen Problemen: "Egal ob große Objekte oder etwa niedrig hängende Äste, da gibt es jede Menge Einschränkungen", meint Gerard Medioni, Projektbeteiligter am Viterbi-Institut.

Noch ist die Guidevest nicht miniaturisiert, was in den nächsten Monaten ansteht. Das fertige Gerät könnte die Kamera in eine Brille integriert haben, während die Vibrationsmotoren in reguläre Kleidung eingenäht sind. Besonders teuer ist die Technik übrigens nicht: Der Prototyp besteht aus handelsüblicher Hardware und einem Rechner mittlerer Leistungskapazität. (bsc)