Brüssel verlangt Aufklärung über US-Überwachungsprogramm ATS

Der EU-Justizkommissar zeigt sich erstaunt über die Verwendung von Flugpassagierdaten für das Automated Targeting System Washingtons, die den Verpflichtungen des Abkommens zum Informationsaustausch widerspreche.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 51 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

EU-Justizkommissar Franco Fattini hat sich vor dem EU-Parlament in Straßburg erstaunt darüber gezeigt, dass die USA Flugpassagierdaten (Passenger Name Records, PNR) für ihr Automated Targeting System (ATS) verwenden. Die Übernahme der persönlichen Daten europäischer Reisender in das Überwachungsprogramm zur Risikoeinschätzung der ins Land strömenden Besucher, auf welches das US-Ministerium für innere Sicherheit (DHS) Anfang November kurz hinwies, widerspricht nach Ansicht des Italieners den Vereinbarungen im Anfang Oktober verlängerten Abkommen zum Austausch der Fluggastdaten. Das Programm ATS löste Bedenken bei Bürgerrechtlern aus und zog die Aufmerksamkeit der Medien auf sich.

"Die Informationen, die das DHS veröffentlicht hat, weisen auf bedeutende Unterschiede zwischen der Art und Weise hin, wie PNR-Daten im Automated Targeting System gehandhabt werden, und den strikteren Regeln für europäische PNR-Daten, die das DHS in seiner Verpflichtungserklärung vorgegeben hat", konstatiert Frattini. Statt gegen den ausgemachten Vertragsbruch zu protestieren, erklärt er aber nur zurückhaltend weiter: "Die Ratspräsidentschaft und die Kommission sind dabei, die US-Regierung zu kontaktieren, um eine formelle Bestätigung zu erhalten, dass die EU-PNR-Daten im ATS so behandelt werden, wie es in der Verpflichtungserklärung beschrieben ist."

Gleichzeitig zeigte sich der Justizkommissar sicher, dass das von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft gemeinsam mit der Kommission und der US-Seite auszuhandelnde neue Abkommen "einen hohen Standard für den Schutz aller PNR-Daten sicherstellen" und gleichzeitig der Sicherheit der Bürger Rechnung tragen werde. Er sei immer der Ansicht gewesen, dass Reisende informiert werden müssten, wenn ihre Flugdaten an "kompetente Behörden" von Drittstaaten weitergeleitet werden. Gefordert sei eine internationale Vereinbarung, welche die Unterstützung der Öffentlichkeit und der Volksvertreter auf beiden Seiten des Atlantiks genieße. Nur mit einer "sehr soliden Strategie und einer ausbalancierten Kooperation mit unserem hauptsächlichen internationalen Partner" werde es möglich, die "moderne Form des 'Totalitarismus' gegen die Demokratie" zu begrenzen oder auszurotten, positionierte sich Frattini im Kampf gegen den Terrorismus.

Die Gültigkeit des zuletzt getroffenen Abkommens zur Übermittlung von Flugpassagierdaten ist bis Juli 2007 beschränkt. Zuletzt hatte Ungarn das Inkrafttreten der Regelung allerdings wegen Datenschutzbedenken seines Staatsoberhauptes verzögert. Fluggesellschaften in den EU-Staaten geben den US-Behörden gegenwärtig 34 Detailinformationen pro Passagier frei, die offiziell zunächst dreieinhalb Jahre gespeichert werden dürfen. Die Angaben enthalten nicht nur Namen, Geburts- und Flugdaten, sondern auch Kreditkarteninformationen, besondere Essenswünsche, weitere Buchungen für Hotels oder Mietwagen sowie E-Mail-Adressen und Telefonnummern. Volksvertreter aus dem EU-Parlament und dem Bundestag haben auch die überarbeitete Vereinbarung scharf kritisiert. (Stefan Krempl) / (anw)