Bundesregierung wendet sich in Brüssel gegen Netzsperren bei Copyright-Verstößen

Die Bundesregierung hat in der Konsultation der EU-Kommission über die Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte an geistigem Eigentum ein "Three-Strikes"-System und eine präventive Inhaltekontrolle vehement abgelehnt.

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Die Bundesregierung hat sich in Brüssel gegen ein System zur abgestuften Erwiderung auf Urheberrechtsverletzungen ("Three Strikes") ausgesprochen. Sie lehnt alle Regelungen ab, "die auf die Einführung von Internetsperren abzielen", heißt es in einer Eingabe (PDF-Datei) aus Berlin zur Konsultation der EU-Kommission über die Richtlinie zur zivilrechtlichen Durchsetzung der Rechte an geistigem Eigentum (IPRED). Die Bundesregierung widersprach auch der Notiz einer Kommissionsarbeitsgruppe, wonach Verfügungen gegen Provider erfolgreich zur Blockade von Webseiten eingesetzt worden seien, die den Zugang zu geschützten Werken erleichterten, ohne dass Rechteinhaber zugestimmt haben. Die Bundesregierung will so auch von Websperren im Kampf gegen Copyright-Verstöße nichts wissen.

Änderungen an der Durchsetzungsrichtlinie seien insgesamt nicht nötig, meint die Bundesregierung. Mit dieser Ansicht steht Deutschland nach Angaben der Kommission aber fast allein da. Problematisch sieht die Bundesregierung auch die von Brüssel ins Spiel gebrachten Regelungen zur präventiven Kontrolle von Inhalten im Internet. Diese dürften nicht dazu führen, dass Vermittler den Datenverkehr überwachen müssen. Auch solle vermieden werden, dass Regelungen über die Verantwortlichkeit von "Mittelspersonen" zersplittert werden, schreibt die Regierung weiter und verweist auf Bestimmungen in der E-Commerce-Richtlinie. Zu dieser seien zunächst die Schlussfolgerungen der Kommission aus der Konsultation der Mitgliedsstaaten abzuwarten.

"Außer Frage" steht für Berlin, "dass mehr Kooperation zwischen Rechteinhabern und Diensteanbietern bei der Bekämpfung der Internetpiraterie wünschenswert ist". In Deutschland erörterten dazu bereits die Beteiligten in einem "Wirtschaftsdialog" die rechtlichen und technischen Möglichkeiten. Diese Diskussion solle ebenfalls abgewartet werden.

Die Bundesregierung hat auch Bedenken gegen die Erwägung der Kommission, wonach gerichtliche Anordnungen schon erlassen werden können, wenn Rechtsverletzungen ohne jegliche weitere Voraussetzungen vorliegen. Dies entspreche nicht den deutschen Anforderungen an solche Unterlassungsverfügungen. Darüber hinaus lehnt Deutschland einen "Strafschadenersatz" ab, der über die Schadenskompensation beim geschädigten Rechtsinhaber hinausgeht, also beispielsweise die Berechnung einer mehrfachen Lizenzgebühr oder die Kumulation von verschiedenen Methoden zur Schadensberechung oder von Bereicherungsansprüchen. Die Bundesregierung sieht auch keinen Bedarf dafür, die Sanktionsvorschriften EU-weit zu harmonisieren und stellt sich daher gegen eine zusätzliche strafrechtliche Durchsetzungsrichtlinie.

Eine Gegenposition (PDF-Datei) bezieht unter den rund 380 eingegangenen Stellungnahmen unter anderem Frankreich. Die Regierung in Paris bricht nicht nur eine Lanze für ihr Hadopi-Gesetz und das System "Three Strikes", sondern will auch die Haftungsregeln für Provider verschärfen. Demnach sollten die Anbieter Inhalte, die im Verdacht auf Rechtsverletzungen stehen, nicht nur rasch herunternehmen, sondern auch keine Einspruchsmöglichkeit bieten ("notice, take down & stay down"). Die französische Regierung lobt zudem ihren Ansatz, Informationen aus der einjährigen Vorratsdatenspeicherung auch im Kampf gegen Copyright-Sünder zugänglich zu machen, und plädiert dafür, Strafvorschriften anzugleichen. (anw)