Eine Drohne kommt niemals allein

Auf dem Drohnenflugtag der Arbeitsgruppe für unbemannte Luftfahrzeuge (UAV-DACH) wurden kleinere Verwandte der neuen Langstreckendrohne Euro Hawk ebenso gezeigt wie eine Operationszentrale der Zukunft, mit der Kriegsschiffe ins Gefecht geführt werden.

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Von
  • Detlef Borchers

Mit der für Mittwoch geplanten Landung der ersten europäischen Langstreckendrohne Euro Hawk auf dem Flugplatz Ingolstadt-Manching tritt Deutschland in das Zeitalter ein, in dem bemannte und unbemannte Luftfahrt koexistieren. Grund genug für die Deutschsprachige Arbeitsgruppe für unbemannte Luftfahrzeuge (UAV DACH), einen Drohnenflugtag zu veranstalten. Neben den kleinen Verwandten des Euro Hawks, die mit dem Laptop geflogen werden, wurde die Operationszentrale der Zukunft (OPZ) gezeigt. Mit ihr ziehen die künftigen Fregatten der Marine ins Gefecht, doch sind die Ansätze zur augmentierten Mensch-Maschine-Interaktion durchaus geeignet, an Systeme wie den Euro Hawk angepasst zu werden.

Der erste deutsche Euro Hawk kommt aus Kalifornien und landet in Manching. Dort absolviert er ein Zulassungsprogramm, ehe er auf dem Fliegerhorst Jagel in Schleswig als erste von insgesamt fünf Drohnen zur Funkaufklärung stationiert wird. Der Euro Hawk ist die europäische Variante der Langstrecken-Drohne Global Hawk, die der US-Rüstungskonzern Northrop Grumman baut. Die Flugzeuge sind identisch, nur die Sensortechnik im Euro Hawk europäisch und wird von EADS geliefert.

Im Abkürzungswahn der Bundeswehr heißt das dann SLÜWA: "Systeme der Signalerfassenden Luftgestützten Weiträumigen Überwachung und Aufklärung". Nach Darstellung der Luftwaffe soll der Euro Hawk das "Ohr der Truppe" sein: Die Drohne schnappt entlang ihrer programmierten Flugroute jede noch so kleine Funk-Nachricht auf. Dabei könne der Pilot/Operateur auch jederzeit die Flugroute ändern, um einem aufgenommenen Signal nachzugehen, das von militärischem Interesse sein könnte. Verliert die Drohne den Kontakt zum Operateur, kehrt sie entlang einer festgelegten Flugroute zurück.

Der fünf Tonnen schwere Euro Hawk tritt mit seiner Signaltechnik die Nachfolge all jener Lauschtürme an, die vor der Wiedervereinigung an der innerdeutschen Grenze den gesamten Funkverkehr des Ostblocks mitschnitten. Flugtechnisch ist der Euro Hawk eine Drohne, die vom Computer aus gesteuert wird und ihre festgelegten Wegpunkte abfliegt. Nur bei Start und Landung übernimmt ein ausgebildeter Pilot die Kontrolle von der Mission Control, die für die Aufzeichnung des Frequenzspektrums zuständig ist.

Damit gehört das System zu den Einheiten, für die sich der UAV DACH stark macht: Er versteht sich als "Initiative zur Integration von Unbemannten Luftfahrzeugen in den zivilen Luftraum". 25 Firmen sind Mitglied, von der EADS-Tochter Cassidian bis zur kleinen Mavinci. Erklärtes Ziel aller Beteiligten sind technische Standards für den problemlosen Einsatz von Drohnen im deutschen Luftraum. Derzeit ist die Situation verfahren: Von Bundesland zu Bundesland gelten andere Regeln – und selbst innerhalb eines Bundeslands müssen die nicht einheitlich sein.

Drohnen auf der Tagung des UAV-DACH (5 Bilder)

Fluggeräte

Kleinere und größere unbemannte Fluggeräte wurden auf der Tagung des UAV-DACH gezeigt. (Bild: Borchers)

Auf der Tagung der UAV DACH genannte Beispiele illustrieren die Probleme: So mussten Weinberge zu "Sperrgebieten" erklärt werden, damit Drohnen die Weinstöcke geszielt besprühen konnten – ein Job, den sonst "richtige" Hubschrauber machen, die gleich Berg und Tal mit einnebeln. Auch der Einsatz von Drohnen zur Vogelzählung, die systematisch von Wendepunkt zu Wendepunkt ein Vogelschutzgebiet "aufklären", steht unter Vorbehalten. Wenn Vögel nicht gestört werden dürfen, surren die Flugobjekte leise abseits der menschlichen Sicht auf ihren per Laptop festgelegten Routen. Das aber verstößt gegen die gesetzliche Auflage, dass der Drohnenführer sein Gefährt sehen muss. Umgekehrt gibt es in Deutschland (und der Schweiz) Genehmigungsprobleme, wenn Drohnen so aussehen, dass sie Vögel erschrecken können.

Auf dem Gelände des Fraunhofer-Institutes FKIE in Wachtberg bei Bonn, wo die Drohnenkundler tagen, wurden einige Systeme vorgeführt. Von Modellhubschraubern abgeleitete Drohnen bildeten die Mehrheit, doch auch ein auf die Luftbildfotografie und -vermessung spezialisierter Octocopter kam zum Einsatz. Die größte Drohne, ein FKIE-Hubschrauber auf der Basis des schweizerischen NEO S-300 mit einer Nutzlast von 25 Kilogramm, durfte wegen behördlicher Auflagen nicht starten.

FKIE steht für "Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie" und ist ein Institut aus der Erbmasse des aufgelösten Militärforschungsverbandes FGAN, das Systeme für die Funkaufklärung entwickelt. So ist im großen Hubschrauber ein Multisensor-System unterwegs, das Satellitenfunktelefone wie die von Thuraya oder Iridium orten kann und automatisch hochauflösende Fotos von den Fundstellen anfertigt und überträgt. Der kleinste FKIE-Hubschrauber mit einer Nutzlast von 1 Kilo nimmt bei seinen Flügen häufig ein Smartphone mit: "Das hat alles, was wir brauchen. Eine Kamera, ein ausreichend genaues GPS, W-LAN und genug Strom für die zwanzig Minuten Flugzeit", erklärte ein FKIE-Mitarbeiter.

Am FKIE wird nicht nur über Sensoren geforscht, sondern auch die Frage untersucht, welche Mensch-Maschine-Schnittstelle am besten mit den anfallenden Daten umgehen kann. Ein Ansatz ist die für die kommende deutsche Fregatten-Klasse F125 (PDF-Datei) beim FKIE entwickelte "Operationszentrale der Zukunft" (OPZ). Die mit reduzierter Besatzungsstärke operierenden Fregatten sind für den Einsatz in "asymmetrischen Bedrohungslagen" konzipiert und sollen etwa bei der Bekämpfung der Piraterie zum Einsatz kommen.

Operationszentrale der Zukunft (3 Bilder)

Chefsessel

Von seinem Sitzplatz aus hat der Kommandant alles im Blick. (Bild: Borchers)

Die Einsatzzentrale besteht aus einer 360-Grad-Rundumsicht der Bordkameras, die in den Einsatzraum projiziert und mit Daten der sichtbaren Schiffe angereichert werden (Geschwindigkeit, Entfernung, Schiffstyp, Radarstrahlung). In der Mitte der Runde sitzt der "Drehstuhlbediener", der seinen Sitz mittels Joystick in alle Blickrichtungen der Kamera rotieren lassen kann. Um ihn herum gruppiert sind die Kommandostände der verschiedenen Gefechtseinheiten mit ihren Displays. Der Kommandeur im Drehstuhl hat ein großes Touchpad, mit dem er die Einheiten auf seine Sicht aufschalten kann.

Alle Akteure bekommen die Daten visualisiert, die sie gerade brauchen: Grafische Darstellungen haben die 120 Bildschirmfenster abgelöst, die beim Vorgänger-Modell F124 im Auge behalten werden müssen. Allein 720 Parameter müssen beim Kommandostand "Inneres Gefecht" (Schiffsleck oder Schiffskampf ab Bordkante) beachtet und gesteuert werden. Die Einsatztrupps auf dem Schiff sind mit Touchpads ausgerüstet, auf denen sie Befehle erhalten.

Die Erkenntnisse, die demnächst bei der Arbeit im OPZ der Fregatten gewonnen werden, sollen in die Weiterentwicklung der Mensch-Maschine-Schnittstelle einfließen. Für die Forscher ist es ausgemacht, dass eines Tages entsprechend ausgerüstete OPZ Flugbesatzungen ablösen und die großen Drohnen auf ihren Einsätzen steuern werden. (vbr)