Strafanzeigen-Maschine gegen Tauschbörsen-Nutzer

Eine Anwaltskanzlei stellt tausende Strafanzeigen gegen Tauschbörsen-Nutzer, die von der P2P-Scan-Software eines Schweizer Unternehmens ermittelt wurden.

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Von
  • Holger Bleich

Tausende Strafanzeigen gegen Tauschbörsen-Nutzer wegen Verletzung des Urheberrechts überfluten derzeit die Staatsanwaltschaft Karlsruhe. Sie wurden nach Informationen von heise online von einer Karlsruher Rechtsanwaltskanzlei eingereicht, die mit dem Schweizer Unternehmen Logistep zusammenarbeitet.

Logistep hat sich nach eigenen Angaben darauf spezialisiert, im Auftrag von Rechteinhabern Urheberrechtsverletzungen im Internet aufzuspüren. Auf seiner Homepage gibt das "Anti-Piracy-Unternehmen" an, es dokumentiere voll automatisiert, "welche Inhalte über welchen Zeitraum und mit welcher IP-Adresse des Users geladen wurden". Als "Full-Service-Dienstleister" kümmere es sich auch gleich um die rechtliche Verfolgung.

Allein im Juni und Juli sind mehr als 20.000 Anzeigen der Karlsruher Kanzlei eingegangen, wie die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage bestätigte. Die Anwaltskanzlei habe angegeben, pro Woche noch etwa 10.000 Anzeigen nachschieben zu können, sagte ein Kripo-Beamter. Allein in 12.000 Fällen gehe es um Upload-Angebote des PC-Spiels Earth 2160 im eDonkey-P2P-Netz. Das Spiel wird vom Hersteller Zuxxez Entertainment vertrieben.

Dirk P. Hassinger, Vorstand bei Zuxxez, bestätigte die Beauftragung von Logistep. "Uns entstehen immense Verluste durch den Tausch unserer Software in P2P-Börsen, die wir nicht mehr hinnehmen." Schon jetzt lasse sich beobachten, "dass die Aktion insoweit gefruchtet hat, als dass Earth 2160 in Tauschbörsen so gut wie nicht mehr zu finden ist und dadurch die Verkäufe anhaltend sehr zufriedenstellend sind."

In den Anzeigen führt die Anwaltskanzlei den Namen der angebotenen Software, die IP-Adresse, die emule-Nutzkennung des Anbieters und den Zeitpunkt des Angebots an. Auf welche Weise Logistep diese Daten ermittelt hat, geht nach Auskunft des Kripo-Beamten nicht daraus hervor. Es sei also nicht garantiert, dass beispielsweise der Timestamp immer korrekt sei. Nur dann aber könne die Staatsanwaltschaft mit hinreichender Sicherheit feststellen, welcher Nutzer im genannten Zeitraum die IP-Adresse vom Zugangsprovider zugewiesen bekommen hat.

Trotz dieser Bedenken hat die Staatsanwaltschaft Karlsruhe in allen Fällen Ermittlungen aufgenommen. Logistep fordert jeweils mit einer automatisch generierten E-Mail den Provider des Verdächtigen auf, die Verbindungsdaten auch im Falle eines Flatrate-Zugangs vorläufig zu sichern. Die Strafermittler fragen dann nach Eingang der Anzeige die Kundendaten zu den IP-Adressen ab.

Dass Richter aufgrund der Beweislage Durchsuchungsbeschlüsse genehmigen würden, ist unwahrscheinlich. Deshalb schickt die Staatsanwaltschaft zunächst lediglich Anhörungsbögen an die ermittelten Personen. Unabhängig davon, ob der Verdächtigte die Tat zugibt, wird in den meisten Fällen die Einstellung des Verfahrens angeboten, falls er der Auflage einer Geldzahlung zustimmt. Was passiert, wenn ein Verdächtiger die Tat bestreitet, ist noch offen. Zu einer Anklage ist es bisher noch nicht gekommen.

Gegenüber heise online wollte die Logistep AG in Höri keine Auskünfte darüber erteilen, wie ihre Tauschbörsen-Scan-Software arbeitet und welche Daten von Nutzern in der "Live-Datenbank" erfasst werden. Dazu gebe es derzeit eine "restriktive Informationssperre", teilte man uns telefonisch mit. In einigen Wochen wolle man das Verfahren genauer erläutern. Man habe in Deutschland bereits einige große Kunden dafür begeistern können. Auch der Spielehersteller CDV etwa hat Ende Juli 2005 bekannt gegeben, durch Logistep "jede ermittelte Raubkopie und illegale Vervielfältigung straf- und zivilrechtlich verfolgen" zu lassen. Auch Unternehmen aus der Musikindustrie sind unter den neu gewonnenen Kunden. Auf die Staatsanwaltschaft dürfte also noch jede Menge weitere Arbeit zukommen.

Unterdessen kündigte die von Logistep beauftragte Kanzlei an, Akteneinsicht bei den Ermittlungsbehörden zu beantragen, nachdem die Tauschbörsen-Nutzer ermittelt wurden. Der nächste Schritt der Auftraggeber wird folglich sein, den Strafanzeigen zivilrechtliche Ansprüche, beispielsweise kostenpflichtige Abmahnungen oder Schadensersatzforderungen, folgen zu lassen. Der Hersteller Zuxxez bestätigte, bereits solche Schritte eingeleitet zu haben. Als Schadensersatz pro Upload von Earth 2160 veranschlagt er 50 Euro. (hob)