Der teure Traum von der sauberen Kohle

Trotz beachtlicher Subventionen steigen immer mehr US-Energieversorger aus CCS-Projekten aus, weil sie den Kostenvorteil von Kohlekraft zunichte machen. Einige Firmen versuchen nun, das CO2 an die Ölindustrie zu verkaufen.

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Von
  • Peter Fairley

Trotz beachtlicher Subventionen steigen immer mehr US-Energieversorger aus CCS-Projekten aus, weil sie den Kostenvorteil von Kohlekraft zunichte machen. Einige Firmen versuchen nun, das CO2 an die Ölindustrie zu verkaufen.

Für die Verfechter sauberer Kohlekraft reißen die schlechten Nachrichten nicht ab: Kürzlich entschied der Energieversorger American Electric Power, in einem Kohlekraftwerk in West Virginia auf die Einlagerung von CO2 zu verzichten – und folgte damit anderen Unternehmen der Branche. Nicht nur hierzulande, auch in den USA scheint die „Carbon Capture and Storage“, kurz CCS, unter keinem guten Stern zu stehen.

Dabei hat das US-Energieministerium ehrgeizige Pläne: In den kommenden fünf Jahren sollen eigentlich bis zu zehn große CCS-Projekte angeschoben werden, um die Technologie wirtschaftlich zu machen. Doch obwohl das Energieministerium die Hälfte der CCS-Anlagenkosten tragen will, sagen immer mehr Energieversorger die Einlagerung von CO2 ab. „Die Anreize der Regierung greifen nicht“, sagt Kurt Waltzer, CCS-Experte der Clean Air Task Force aus Boston. Weil CCS die Herstellung von Kohlestrom um mehr als 40 Prozent verteuert, die Erdgaspreise zuletzt aber gesunken sind, droht die Kohlekraft mit CCS ihren Wettbewerbsvorteil zu verlieren.

American Electric Power (AEP) verzichtet nun auf staatliche Beihilfen in Höhe von 334 Millionen Dollar. Ursprünglich sollten im 1300-Megawatt-Kraftwerk in New Haven mittels CCS 90 Prozent des im Betrieb entstehenden CO2 abgefangen werden. Jährlich 1,5 Millionen Tonnen des Treibhausgases wären dann in einer geologischen Formation unterhalb des Kraftwerks eingelagert worden.

AEP hatte darauf gesetzt, dass die USA ein Emissionshandelssystem nach europäischem Vorbild einführen. In dem hätten sich die vergrabenen CO2-Massen als eingesparte Emissionen wirtschaftlich gerechnet. Doch der US-Senat kippte das Gesetzesvorhaben, und die Bundesstaaten Virginia und West Virginia erlaubten AEP zuletzt auch nicht, die Mehrkosten von CCS an seine Stromkunden weiterzugeben.

Für Basin Electric waren unsichere Extrakosten ebenfalls der Grund, das CCS-Projekt in seinem Kraftwerk in Antelope Valley in North Dakota aufzugeben. Dabei hätte die Stromerzeuger-Genossenschaft von der US-Regierung einen Zuschuss von 100 Millionen Dollar zu den gesamten Baukosten von 287 Millionen Dollar erhalten können.

Allerdings haben noch nicht alle US-Stromerzeuger ihre CCS-Pläne aufgegeben. Einige versuchen, die Zusatzkosten über den Verkauf von CO2 an die Ölindustrie zu minimieren. Die presst Kohlendioxid in Lagerstätten, um mehr Öl aus der Tiefe zu fördern. Die hiermit erzielte zusätzliche Ausbeute macht zurzeit fünf Prozent der amerikanischen Ölförderung aus und könnte nach einer MIT-Studie sogar doppelt so hoch liegen.

Ein Unternehmen, das auf diese CO2-Nachfrage setzt, ist die Southern Company. Vor einigen Monaten begann es mit dem Bau eines 2,4 Milliarden Dollar teuren 582-Megawatt- Kohlekraftwerks im Bundesstaat Mississippi. Die Anlage wird mit einem so genannten Kombi-Prozess mit integrierter Vergasung („integrated gasification combined cycle“, IGCC) arbeiten. In dem wird die Kohle nicht einfach verheizt, sondern vergast. Die Wärmeenergie des Gases wird über einen Wärmetauscher in einen Wasserdampf-Kreislauf eingespeist, der die Turbine antreibt.

Das beim Vergasen entstandene CO2 will die Southern Company ab 2014 an den Öl- und Gasförderer Denbury Resources verkaufen. Von der US-Regierung wird der Bau des Kraftwerks mit 682 Millionen Dollar bezuschusst, und der Bundesstaat Mississippi hat – anders als Virginia und West Virginia – grünes Licht dafür gegeben, die restlichen Kosten auf die Stromkunden abzuwälzen. Dasselbe Konzept verfolgt der Energieversorger Summit Power mit einem IGCC-Kraftwerk in Texas, das eine Leistung von 400 Megawatt haben soll.

Für die Stromproduzenten im dichtbesiedelten Osten der USA lohnt sich der Ansatz jedoch nicht, weil die Ölförderung an der Südküste zu weit entfernt liegt. Selbst im mittleren Westen funktioniere der Verkauf von CO2 nur, wenn es Pipelines zum Golf von Mexiko gebe, sagt Julio Friedmann, Direktor des Carbon Management Program am Lawrence Livermore National Laboratory. Mangels Anbindung an die Ölindustrie verzichte etwa Duke Energy auf die CCS-Technik beim Bau seines 2,9 Milliarden Dollar teuren IGCC-Kraftwerks im Bundesstaat Indiana.

Kurt Waltzer sieht dennoch eine Chance für CCS, falls die US-Umweltbehörde EPA im September tatsächlich neue Emissionsstandards für Kraftwerke erlässt und erstmals auch Grenzwerte für CO2 setzt. Sollten die ähnlich streng ausfallen wie in Kalifornien – dort gelten die Emissionen von Gaskraftwerken als Messlatte –, müssten die Betreiber amerikanischer Kohlekraftwerke künftig zwei Drittel des CO2 abfangen und irgendwo unterbringen.

Kalifornien selbst, das die Hälfte seines Stroms aus Erdgas bezieht, plant, auch seine Gaskraftwerke mit CCS-Technik auszurüsten. Denn nur so dürfte das kalifornische Ziel, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 um 25 Prozent zu senken (bezogen auf 1990), zu schaffen sein. Waltzer erwartet sogar, dass CCS irgendwann für alle fossil betriebenen US-Kraftwerke vorgeschrieben wird, um bis 2050 die Emissionen um 80 Prozent senken zu können. „Ohne CCS für Kohle- und Gaskraft werden wir unsere Klimaziele nicht schaffen“, ist auch Julio Friedmann überzeugt. (nbo)