Urteil: Arbeitgeber darf auf dienstliche E-Mails eines Arbeitnehmers zugreifen

Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts darf ein Arbeitgeber in Ausnahmefällen auch dann auf dienstliche E-Mails zugreifen, wenn die Privatnutzung elektronischer Post im Unternehmen erlaubt ist.

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Von
  • Joerg Heidrich

Ein Arbeitgeber kann ausnahmweise auch dann auf dienstliche E-Mails zugreifen, wenn elektronische Post in einem Unternehmen grundsätzlich auch privat genutzt werden darf. Das hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 16. Februar 2011 (Az. 4 Sa 2132/10) entschieden.

Das Gericht hatte zu klären, ob die Klägerin ihren Vorgesetzten den Zugriff auf die im eigenen E-Mail-Postfach vorhandenen E-Mails verweigern kann. In einer Betriebsvereinbarung des Unternehmen aus der Automobilbranche heißt es, dass "E-Mail in geringem Umfang auch für die private interne und externe Kommunikation" genutzt werden darf. E-Mails privaten Inhalts sollten mit "privat" in der Betreffzeile gekennzeichnet werden, was die Klägerin auch beherzigte.

Ende November 2008 erkrankte die Klägerin. Nachdem ihr Arbeitgeber sie mehrfach nicht erreichen konnte, wurde Ende Januar 2009 unter Beisein des Betriebsrats und des Datenschutzbeauftragten auf das Mail-Postfach der Beklagten zugegriffen. Dabei wurden dienstliche E-Mails geöffnet und ausgedruckt, damit sie bearbeitet werden können. Dagegen klagte die Mitarbeiterin. Sie meint, jede Öffnung ihres elektronischen Postfaches ermögliche es, ihre privaten E-Mails zu lesen. Sie könne daher von ihrem Arbeitgeber verlangen, ihren E-Mail-Account nicht zu öffnen, bevor sie eingewilligt hat.

Die Klägerin hatte ihre privaten E-Mails ähnlich wie hier als solche gekennzeichnet.

Das Arbeitsgericht als Vorinstanz hat die Klage im August 2010 abgewiesen, weil ein Unterlassungsanspruch der Klägerin nicht ersichtlich sei. Dieser Einschätzung folgte nun auch das Landesarbeitsgericht und wies die Berufung als unbegründet zurück. Der Arbeitgeber sei kein Diensteanbieter im Sinne von Paragraf 88 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) und sei daher auch nicht rechtlich einem Provider gleichgestellt. Ohnehin sei durch diese Vorschrift nur das Fernmeldegeheimnis geschützt. Dessen Anwendungsbereich ende jedoch, wenn die E-Mail beim Empfänger angekommen und der Übertragungsvorgang beendet ist.

Auch sei nicht gegen die Vorschriften des Paragraf 206 des Strafgesetzbuches (StGB) verstoßen worden, meinen die LAG-Richter. Der Beklagte sei weder Inhaber noch Beschäftigter eines Unternehmens, das geschäftsmäßig Post- oder Telekommunikationsdienste erbringt. Auch hätten die Beklagten nicht gegen Paragraf 202a StGB verstoßen. Die Klägerin habe nicht beweisen können, dass die Beklagten unbefugt auf Daten zugegriffen hätten, die nicht für sie bestimmt waren. Die Beklagten hätten es allein auf dienstliche E-Mails der Klägerin abgesehen gehabt, nicht auf private Nachrichten, die als solche gekennzeichnet waren.

Auch sei nicht in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin nach Artikel 2 des Grundgesetz] (GG) eingegriffen worden, meint das Gericht weiter. Wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht mit den Interessen des Arbeitgebers kollidiere, müsse im Einzelfall erwogen werden, welche der beiden Rechte vorrangig sind. Hier überwiege das Interesse des Arbeitgebers, den ungestörten Arbeitsablauf zu gewährleisten. Dem Unternehmen habe finanzieller Schaden gedroht, da einige der betreffenden E-Mails Kundenwünsche enthielten, die sonst nicht beachtet worden wären. Der Arbeitgeber habe auch alles mögliche unternommen, um einen Zugriff auf private E-Mails zu verhindern.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß Paragraf 72 ArbGG liegen nach Ansicht des Gerichts nicht vor. Die Kammer habe bei der Entscheidung die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt, wobei die Umstände des Einzelfalls allein maßgebend gewesen seien. (anw)