Die Woche: Softwarepatente als Zeitbombe

Patentverletzungen sind bei Open-Source-Software besonders leicht nachzuweisen, schließlich liegen hier die Quellen offen. Das kann auch nach Jahren noch zu Patentklagen führen.

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Softwarepatente sind für ihre Besitzer eine feine Sache: Man beantragt erst einmal möglichst viele davon, auch für völlig triviale Dinge, und schaut sich dann am Markt um, welche Geräte oder Programme wohl einen der schwammig formulierten Patentansprüche verletzten könnten.

Bei Open-Source-Software hat man als Patent-Hai besonders leichtes Spiel, schließlich genügt hier ein Blick in die Quellen, um etwaige Verletzungen zweifelsfrei feststellen zu können. Allerdings ist bei Open-Source-Projekten üblicherweise nichts zu holen -- weshalb man am besten erst einmal die Füße still hält und abwartet, ob nicht vielleicht irgend ein finanzkräftiger Konzern die Software einsetzt oder gar damit ein Produkt entwickelt. Zum Beispiel ein Smartphone-Betriebssystem.

Aber auch dann sollte man nichts überstürzen: Wirft man der Firma gleich hunderte Patentverletzungen vor, entscheidet sie sich womöglich lieber für eine andere Technik anstatt für Lizenzzahlungen. Viel lukrativer ist es, zu warten, bis ein Produkt am Markt ist und vielleicht schon in größeren Stückzahlen verkauft wurde. Dann hat der Hersteller bereits erhebliche Summen investiert und müsste ein gut gehendes Produkt aus dem Programm nehmen. So ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man ihn auch zu recht hohen Lizenzgebühren überreden kann. Eile hat man damit nicht, schließlich gibt es keine Frist, in der man Patentverletzungen melden müsste. Zur Not kann man auch noch nach Jahren bei einem US-Gericht Klage einreichen, so wie Oracle dies im Fall von Java-Patentverletzungen durch Android getan hat.

Allerdings darf man die Gegenpartei nicht in falscher Sicherheit wiegen. Genau das könnte Oracle in der aktuellen Klage gegen Google zum Verhängnis werden: So gratulierte der damalige Sun-CEO Jonathan Schwarz Google in seinem offiziellen Blog zur Veröffentlichung von Android und freute sich auf die Zusammenarbeit.

Dies könnte man so auffassen, dass Schwarz Google dazu aufforderte, Android mit Java als Applikationsbasis weiterzuentwickeln -- "to estoppel" nennt man dies im amerikanischen Recht. Doch dann dürfte Oracle heute Google nicht mehr wegen Patentverletzungen verklagen, schließlich hätte man die Verletzung nicht nur wissentlich geduldet, sondern zudem die Gegenseite auch noch angestachelt.

Ob der Blog-Eintrag des damaligen Sun-CEO tatsächlich ausreicht, damit sich Google vor Lizenzzahlungen drücken kann, muss das Gericht entscheiden. Verurteilt das Gericht Google zu nachträglichen Lizenzzahlungen oder einigen sich die Streithähne, kommen als nächstes sicherlich die Hersteller von Android-Smartphones an die Reihe.

Es dürfte darauf hinaus laufen, dass Oracle genau wie Microsoft einige Dollar an jedem Android-Smartphone mitverdient, was letztlich auf den Gerätepreis umgelegt wird. Somit wären es mal wieder die Endverbraucher weltweit, die die Zeche für die fragwürdige amerikanische Patentpraxis zahlen. (mid) (mid)