"Killerspiele": Selbstkontrolleinrichtung wehrt sich gegen Verleumdung

Die USK weist in der Debatte um ein Verbot von "Killerspielen" die Kritik des bayerischen Innenministers Günther Beckstein und des niedersächsischen Kriminologen Christian Pfeiffer entschieden zurück.

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Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) hat in der anhaltenden Debatte um ein Verbot von "Killerspielen" die Kritik des bayerischen Innenministers Günther Beckstein und des Kriminologen Christian Pfeiffer an ihrer Prüftätigkeit zurückgewiesen. Pfeiffer betreibe "seit Längerem eine Kampagne gegen die USK", heißt es in einer Mitteilung der seit der jüngsten Reform der Jugendschutzgesetzgebung im Rahmen der "Ko-Regulierung" staatlich beaufsichtigten Einrichtung. Pfeiffer stützte sich dabei auf "einen selbsterteilten Evaluierungsauftrag". Tatsächlich sei aber das Hans-Bredow-Institut für Medienforschung an der Universität Hamburg von Bund und Ländern mit der Überprüfung der Arbeit und Wirkung der USK beauftragt worden.

Die USK führt gemeinsam mit den Obersten Landesjugendbehörden das Verfahren zur Alterskennzeichnung von Computerspielen durch. Im Umfeld von Äußerungen von Politikern und USK-Geschäftsführer Klaus Spieler war es vergangene Woche zu Spekulationen gekommen, dass Pfeiffer es auf die Fördertöpfe der Kontrolleinrichtung abgesehen habe. Der Landtagsabgeordnete Thomas Jarzombek (CDU) hatte darüber nachgedacht, dass Pfeiffers Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen Interesse daran habe, die Rolle der USK zu übernehmen.

Beckstein nahm den Kriminologen gestern in Schutz und kritisierte seinerseits die USK erneut. Diese lenke "mit haltlosen Unterstellungen" gegenüber Pfeiffer "vom eigenen Versagen im Kampf gegen Killerspiele ab", empörte sich der CSU-Politiker. Doch derlei "durchsichtige Versuche" seien zum Scheitern verurteilt. Weder Wissenschaftler wie Pfeiffer "noch Politiker, denen der Schutz unserer Gesellschaft ein Anliegen ist, werden sich dadurch im Kampf gegen solche widerwärtigen Killerspielen von ihrem Ziel abbringen lassen". Beckstein will durch eine Änderung des Gewaltdarstellungsparagrafens 131 StGB das darin bereits erhaltene Verbot verschärfen und stärker auf die Spieler selbst beziehen. Pfeiffer selbst betonte gegenüber Spiegel Online, dass er "niemals auch nur darüber nachgedacht" habe, Spielebewertungen künftig an seinem Institut durchführen zu lassen. Der Kriminologe hatte sich kürzlich zurückhaltend gegenüber einem Verbot von "Killerspielen" geäußert. Die USK sei aber mit einer Plakatkampagne über die positiven Einsatzmöglichkeiten von Computerspielen als "Lobbyist der Spieleindustrie aufgetreten". Problematisch findet Pfeiffer, dass die USK-Tester nicht die gleichen Personen sind wie die Gutacher, die letztlich über die Einstufung eines Spiels entscheiden. Mit einer Abgabe von 25 Cent pro verkauftem Spiel müsse die Industrie bei der Finanzierung zudem stärker zur Kasse gebeten werden. Die so erwirtschafteten Gelder könnten auch zur Bekämpfung der Computerspielsucht eingesetzt werden.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat die Diskussionen um ein Verbot von brutalen PC-Spielen derweil im Gespräch mit Welt.de als "schönes Beispiel für den Überbietungswettbewerb in Politik und Medien" ausgemacht. Sobald etwas als Missstand wahrgenommen werde, ertöne der Ruf nach neuen Gesetzen. "Dabei sind Killerspiele längst verboten", betonte die SPD-Politiker noch einmal. "Seit der Gesetzesänderung im Jahre 2004 kann strafrechtlich wirksam gegen ihre Verbreitung vorgegangen werden. Wir müssen aufpassen, dass wir die Glaubwürdigkeit der Politik nicht durch Phantomdebatten belasten."

Insgesamt gesehen liefert laut Stern.de schon die Landespolitik in der Frage momentan ein uneinheitliches Bild ab. Eindeutig festgelegt hätten sich bisher nur wenige Landesregierungen wie die von Bayern und Niedersachsen. Sieben Bundesländer würden sich eher für ein Verbot von "Killerspielen" aussprechen. Eine Gegenposition hätten vier Länder bezogen, darunter Schleswig-Holstein, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern.

Beckstein zeigte sich zwischenzeitlich in einem Zwiegespräch mit dem Chef von Electronic Arts Deutschland, Thomas Zeitner, "felsenfest überzeugt", dass Spiele wie Counter-Strike oder Medal of Honor einen Einfluss auf das Verhalten von labilen Menschen haben könnten. "Da werden Hemmschwellen herabgesetzt, es gibt Nachahmungstaten. Das sagen uns die Kriminalisten." Die letzte "Killerspiele-Vorführung" bei Pfeiffers Institut in Hannover gehe ihm noch immer nach. Zeitler hält es dagegen für unpraktikabel, "die Spiele" etwa erst ab 25 freizugeben: "Als 18-Jähriger werden Sie zum Bund eingezogen, als Freiwilliger oder Zeitsoldat gehen Sie in Auslandseinsätze nach Afghanistan, nach Somalia. Das erwarten wir von den Menschen, aber gleichzeitig sagen wir ihnen: Diese Computerspiele dürft ihr nicht kaufen und spielen. Das passt doch nicht zusammen."

Die Jugendstrafkammer das Landgerichtes Cottbus hat unterdessen einen 19-Jährigen wegen Mordes an einem Obdachlosen nach dem Muster des Gewaltvideospiels SmackDown vs. Raw 2006 zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. Sie befand den Angeklagten am Dienstag für schuldig, den 51 Jahre alten Mann mit brutalen Schlägen und Tritten ins Gesicht getötet zu haben. "Wir können nicht von der Hand weisen, dass das Spielen dieses Videospieles Einfluss auf die Tat hatte", erklärte die Vorsitzende Richterin Sigrun von Hasseln. Trotz dieses Eindrucks und seines Alkoholkonsums habe der Angeklagte sein Handeln aber noch steuern können. Die Kammer schloss sich bei dieser Einschätzung der Ansicht des psychiatrischen Sachverständigen Jürgen Rimpel an. Ihm zufolge bestand zwischen dem Spielen unmittelbar vor der Tat und der Tötung kein unmittelbarer Zusammenhang. (Stefan Krempl) / (anw)