Big Brother für jeden: Handy-Ortung wird zur Massendienstleistung

Beim GSM-Netzbetreiber anfallende Standort-Daten Handys bieten Dienstleister für die Betreuung von Notfällen, das Flottenmanagement oder für Flirtwillige an. Einen Handy-Besitzer ohne sein Wissen zu überwachen, ist jedoch strafbar.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 101 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Dirk Averesch
  • dpa

Handy-Nutzer sind nicht nur ständig erreichbar, sie können auch überall geortet werden, wenn ihr Gerät eingeschaltet ist. Daraus ergeben sich viele neue Möglichkeiten: Nutzer abonnieren Suchfunktionen für Freunde oder ihre Kinder, lassen sich Hinweise auf Shops oder Gourmettempel in der Nähe aufs Handy schicken oder überwachen als Unternehmer ihren Fuhrpark samt Außendienstlern am Rechner. Kritisch wird das so genannte Tracking dann, wenn Menschen ohne ihr Wissen oder ohne ihre Zustimmung geortet werden. Das ist zwar technisch möglich, aber illegal.

Denn die datenschutzrechtlich zwingende Voraussetzung für die Übermittlung und Nutzung von Standortdaten ist die Einwilligung der Betroffenen, heißt es beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz. Standortdaten werden vor allem für so genannte Location Based Services (LBS) benötigt. Das sind Dienstleistungen, die mit dem jeweiligen Aufenthaltsort des Handynutzers zusammenhängen.

Das Unternehmen Mobiloco aus Hamburg bietet beispielsweise mit dem Angebot Buddy Alert die Ortung von ebenfalls für den Dienst freigeschalteten Freunden in der Umgebung an. Allerdings beschränkt sich die Peilung auf die Angabe der Entfernung des Gesuchten vom eigenen Standort. Mit einem Angebot namens Date Maker sollen noch in diesem Jahr auch Flirtwillige ausgemacht werden können.

Laut Telekommunikationsgesetz (TKG) muss der Nutzer seine Einwilligung jederzeit widerrufen oder die Ortung "auf einfache Weise und unentgeltlich zeitweise" untersagen können. Nur im Notfall oder auf richterlichen Beschluss hin darf jedes Handy auch sofort über die Polizei geortet werden.

Die Genauigkeit der so genannten GSM-Ortung gibt der Dienstleister jackMobile aus Gelsenkirchen im städtischen Bereich mit rund 250 Metern an. "Die Eltern können auch Referenzpunkte wie die Schule angeben, dann steigt die Genauigkeit auf rund 100 Meter", erklärt Dirk Teubner, Geschäftsführer Vertrieb bei track your kid. Die Abfrage des Aufenthaltsortes funktioniert per SMS oder per Internet am PC, wo der ungefähre Standpunkt auf einer Karte angezeigt wird. Intel hatte Mitte 2005 angekündigt, die Lokalisierung per WLAN- oder Mobilfunknetz fortzuentwickeln.

Zwar ist der Service für Eltern gedacht, die wissen wollen, wo sich ihre Sprösslinge aufhalten. Theoretisch könnte aber auch jemand ein Handy freischalten und es beispielsweise seinem Partner zu Überwachungszwecken "unterschieben". Damit macht er sich aber strafbar: Laut Telekommunikationsgesetz (TKG) muss der Teilnehmer auch Mitbenutzer des Mobiltelefons von seiner Einwilligung in die Weitergabe von Standortdaten unterrichten. "Bei Missbrauch unterstützen wir die rechtliche Verfolgung", sagt Teubner.

Missbrauch praktisch ausschließen kann nach eigenen Angaben beispielsweise der Anbieter Teydo aus den Niederlanden. Bei seinem Dienst Fleet Online wird der Betroffene per SMS informiert, dass er geortet werden soll und muss wiederum per SMS sein Einverständnis geben, bevor die Peilung erfolgt.

Da die Mobilfunkzellen auf dem Land in der Regel größer sind als in der Stadt, kann die Ortungsgenauigkeit dort leicht in den Kilometerbereich absinken. "Die GSM-Ortung darf nicht mit der genauen GPS-Ortung per Satellit verwechselt werden", sagt Klaus Brandenstein vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin. Die Versicherungswirtschaft betreibt die an eine GSM-Ortung gekoppelte Handy-Notrufnummer 0800 NOTFON D (0800 668366 3) für Autofahrer. Das Zusammenspiel von GPS- und GSM-Ortung will unter anderem Siemens voranbringen.

Nachdem der Anrufer der Notrufnummer sein Einverständnis gegeben hat, wird sein Standort ermittelt und bei Bedarf an Leitstellen der Rettungsdienste weitergegeben. "Die Position des Anrufers ermitteln wir in einem Annäherungsverfahren, bei dem das Ortungsergebnis mit Straßenkarten verknüpft wird", erklärt Brandenstein. Schließlich können nach Zahlen des GDV rund 30 Prozent aller Handy-Anrufer in Notfallsituationen ihren Standort nicht präzise angeben.

Die Netzbetreiber selbst bieten bisher in der Regel nur Ortungsdienstleistungen für Unternehmen und ihre Fahrzeugflotten an oder setzen die GSM-Ortung zum Auffinden verlorener Handys ein. Ansonsten liefern sie als Dienstleister den verschiedenen Anbietern die Ortungsergebnisse aus ihren Mobilfunkzellen. (Dirk Averesch, dpa) / (ssu)