EU-Rat lässt bei Softwarepatenten weiteren Aktionsraum

Die Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" wurde nicht auf dem heutigen Ministertreffen behandelt. Neben dem Branchenverband Bitkom will auch Bill Gates Druck machen.

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Der EU-Rat hat am heutigen Montag seine Position zur Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" wieder nicht offiziell verabschiedet. Nachdem Polen bereits zweimal das Abnicken des Standpunkts vom Mai im Agrar- und Fischereirat verhindert hatte, setzte sich dieses Mal laut dänischen Medienberichten insbesondere die Regierung in Kopenhagen gegen das Durchwinken des Papiers im Rat für Allgemeine Fragen und Außenbeziehungen ein. Der dänische Außenminister Per Stig Møller soll bestätigt haben, dass auch durch sein Drängen bis zu den Parlamentswahlen in seinem Land am 8. Februar im Rat ohne weitere Aussprache keine Softwarepatententscheidung fallen werde. In Dänemark haben vor allem die Sozialdemokraten und die Volkspartei Bedenken gegenüber der Ratsposition. Die dänische Minderheitsregierung ist auf deren Kooperation angewiesen.

Die luxemburgische Ratspräsidentschaft kann nun versuchen, die Richtlinie mit auf die Tagesordnung für eine ganze Reihe von Ministertreffen in der zweiten Februarhälfte zu hieven. Es tagen unter anderem erneut die Landwirtschaftsminister, aber auch etwa die Finanz- oder Justizminister. Der Wettbewerbsrat, der fachlich für das Thema zuständig ist und den Standpunkt zunächst mit wackeliger Mehrheit festgezurrt hat, kommt am 7. und 8. März wieder zusammen.

Höchstwahrscheinlich bleibt dem EU-Parlament auch bei einer früheren Verabschiedung der Ratsposition noch Gelegenheit, einen Mitte Januar ins Spiel gebrachten Antrag zum Neustart des vertrackten Verfahrens formell zu beantragen. Dies wollen vor allem Größen der Mobilfunk- und Softwareindustrie verhindern.

In den tobenden Lobbykampf wird am morgigen Dienstag in Brüssel auch Bill Gates eingreifen. Der Softwarechefentwickler von Microsoft, der heute in München eine erneute Sicherheitsinitiative gemeinsam mit der Bundesregierung ankündigte, hat eine Reihe von EU-Parlamentariern zu einer Lobbyveranstaltung in Brüssel geladen. Dabei soll auch die Softwarepatentdirektive zur Sprache kommen. Mit auf Gates' Gästeliste steht unter anderem die parlamentarische Schattenberichterstatterin für die Richtlinie, Piia-Noora Kauppi von der Europäischen Volkspartei. Auch andere Konzerne verstärken ihre Aktivitäten bei der Interessensvertretung. So hat nach Firmen wie Nokia jetzt auch Alcatel eine Rundmail an die Mitglieder des federführenden Rechtsausschusses des EU-Parlaments geschickt. Darin werden die Parlamentarier gebeten, "persönlich" gegen einen Neubeginn bei dem Gesetzgebungsprojekt zu intervenieren.

Mit ähnlichen Argumenten wie der BDI trommelt zudem der Bitkom für die Richtlinie in der Ratsversion. In einem neuen, bislang nicht-öffentlichen Positionspapier hält der Branchenverband fest, dass "computerimplementierte Erfindungen bereits patentierbar sind" und eine harmonisierte EU-Gesetzgebung an dieser de facto vom Europäischen Patentamt vorgenommenen Ausweitung des Monopolschutzes für Software "nichts ändern darf". Um die befürchtete Flut an Trivialpatenten zu verhindern, hält der Bitkom eine Ausstattung der Patentämter mit "genügend ITK-Spezialisten" für ausreichend. Generell müssten Unternehmen, "die mit großem Aufwand neue Technologien in Europa entwickeln, diese auch mit Patenten wirksam gegen Nachahmer aus anderen Regionen der Welt schützen können."

Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) vertritt auf seiner Startsite derweil die Gegenposition und macht sich weiter für einen Neuanfang stark. Am Beispiel eines computerbasierten Reise-Reservierungssystems will der Verband deutlich machen, dass gemäß der Ratsposition selbst Geschäftsmethoden problemlos patentierbar würden -- von Computerprogrammen selbst ganz abgesehen. Neben dem Rechtsausschuss des Bundestags hat sich hierzulande zudem vergangene Woche auch der EU-Ausschuss einstimmig für den fraktionsübergreifenden Antrag zur "effektiven Begrenzung" von Softwarepatenten ausgesprochen. Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, die Ratsposition in Brüssel nicht weiter zu unterstützen.

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (anw)