Datenbanken gegen Virus-Resistenzen

Mit Hilfe der Bioinformatik, die in großen Mengen biologischer Daten medizinisch nutzbare Zusammenhänge aufdecken kann, sind Wissenschaftler auf der Suche nach Zusammenhängen zwischen Virus-Varianten und Wirkstoff-Resistenzen.

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"Der Kampf gegen Infektionskrankheiten ist keineswegs gewonnen, sondern geht immerwährend weiter", sagt der Bioinformatiker Thomas Lengauer vom Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken. Denn Viren und Bakterien verändern sich und können resistent gegen Medikamente werden. Impfungen werden dann unwirksam. "Wenn der Waffeneinsatz jedoch nicht mit Augenmaß erfolgt, machen wir aus Kleinkriminellen Terroristen", warnt Lengauer, der zusammen mit Forscherkollegen daran arbeitet, maßvolle Therapieeinsätze gegen das HIV-Virus zu entwickeln. Auf dem internationalen Workshop "Bioinformatics for Viral Infections" im Forschungszentrum caesar in Bonn stellte Lengauer nun seine Arbeitsergebnisse vor.

Mit bioinformatischen Methoden versuchen die Wissenschaftler Zusammenhänge zwischen Virus-Varianten und Wirkstoff-Resistenzen zu entdecken, um Empfehlungen für die Therapie und die Entwicklung neuer Medikamente geben zu können. Besonders relevant ist dies für HIV-Patienten, da das HIV sich schnell verändern kann. Deshalb werden Medikamente regelmäßig ineffizient -- die besten sind zwischen 12 Monaten und zweieinhalb Jahren wirksam. In den vergangenen zehn Jahren haben Ärzte daher Mutationstabellen erstellt, um aus den derzeit 18 zur Verfügung stehenden Medikamenten das wirksamste aussuchen zu können.

"Doch es genügt nicht allein Mutationen zu sammeln, da oftmals komplexe Interdependenzen bestehen, die nur mit Computerhilfe gesehen werden können", erklärt Lengauer. In Kooperation zwischen der Universität Köln, dem Forschungszentrum caesar, der Fachhochschule Bingen und dem Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken entwickelten Wissenschaftler deshalb statistische Modelle, die die Bedeutung von Mutationen im Virusgenom für die Medikamentenresistenz erfassen. Virenmutationen verfolgen bestimmte Tendenzen, die vom Immunsystem des Patienten und Medikamenten beeinflusst werden. Werden die Medikamente abgesetzt, kann sich das Virus sogar zurück entwickeln.

Seit Dezember 2000 haben Ärzte weltweit über das Internet die Datenbank geno2pheno.org bereits rund 36.000 mal abgefragt. Die Ärzte geben das Genom des HIV-Virus des Patienten an. Das System schätzt die Resistenz des Virus gegenüber jedem der 18 Medikamente und schlägt vielversprechende Therapiekombinationen vor. "Statistisch gesehen sind die Therapievorschläge der Datenbank besser als die herkömmlichen", sagt Lengauer und beruft sich dabei auf eine Evaluierung einer italienischen Universitätsklinik.

Die Datenbank enthält 1300 Zellkultur-Datensätze mit Angaben über die Resistenz gegen die 18 Medikamente. Sie enthält außerdem anonymisierte klinische Daten, die unter anderem aus der Zusammenarbeit mit Unikliniken in Düsseldorf, Köln und Bonn stammt. 35 verschiedene Institute aus Deutschland sind an die Datenbank angeschlossen. Inzwischen gibt es Initiativen, die Datebank auf europäischer Ebene zu erweitern.

Ziel der Wissenschaftler ist es, ein besseres Verständnis von Resistenz zu entwickeln, um künftig auf das Ausprobieren unwirksamer Medikamente verzichten zu können. "Dafür muss man proaktiv vorhersagen, welche Resistenzen es gibt," sagt Bioinformatiker Daniel Hoffmann von der FH Bingen.

Ralf Bartenschlager, Direktor der Abteilung Molekulare Virologie der Universität Heidelberg untersucht die Mutationen von Hepatitis-B- und –C-Viren. Für Hepatitis B gibt es ein Medikament, das das Kopieren des Virus verhindert. Doch nach vier Jahren Medikamentation sind die Viren bei 70 Prozent der Patienten resistent. Resistenzen bilden sich auch bei zwei weiteren neuen Medikamenten. Daher sind Kombinationstherapien nötig.

Bartenschlager entwickelt deshalb eine Datenbank von viralen Genomen von resistenten Patienten, um optimale Therapiemethoden empfehlen zu können. Das Hepatitis-C-Virus verändert sich ähnlich stark wie das HIV-Virus. Noch gibt es kein Medikament, das unmittelbar das Virus angreift, doch fünf Medikamente sind derzeit in klinischer Erprobung. Zellkulturstudien haben aber auch hier gezeigt, dass die Viren gegen alle Wirkstoffe resistent werden können. "Das Ziel ist deshalb, die Resistenz mit einer optimalen Therapieabfolge so lange hinaus zu zögern, bis der Patient virusfrei ist", erklärt Bartenschlager. (Christiane Schulzki-Haddouti) / (wst)