"Keine Rasterfahndung" nach Kinderporno-Nutzern

Die Behörden hätten nie direkten Zugriff auf Bankdaten gehabt, erklärten Ermittler am heutigen Dienstag auf einer Pressekonferenz in Magdeburg, bei der die Ergebnisse der Aktion gegen Nutzer von Kinderpornografie im Internet präsentiert wurden.

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Vertreter der Landesregierung Sachsen-Anhalts, der ermittelnden Staatsanwaltschaft Halle und des Landeskriminalamts haben am heutigen Dienstagnachmittag Medienberichte zurückgewiesen, wonach Fahnder bei den jüngsten Ermittlungserfolgen gegen deutsche Nutzer von Kinderpornografie im Internet systematisch die Daten von etwa 22 Millionen Kreditkarten durchsucht hätten. "Weder das Landeskriminalamt noch die Staatsanwaltschaft haben direkten Zugriff auf Daten der Kreditkartenunternehmen gehabt", erklärte Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Hövelmann (SPD), auf einer Pressekonferenz in Magdeburg. Ein Sprecher des LKA Sachsen-Anhalts bekräftigte, es habe sich um "ganz normale Ermittlungsmethoden" gehandelt. Auch Justizministerin Angela Kolb (SPD) erklärte, von Rasterfahdung könne keine Rede sein.

Die Ermittler hatten sich auf die deutschen Kunden einer offenbar aus dem Ausland operierenden Website mit kinderpornografischem Material konzentriert, auf die sie im vergangenen Sommer durch die Anzeige eines Berliner Journalisten aus der Redaktion der SAT1-Sendung "akte" aufmerksam geworden waren. Für einen 20 Tage gültigen Zugang zu der Website mussten 79,99 US-Dollar (rund 60 Euro) per Kreditkarte bezahlt werden. Nach Schilderung des in Sachen Kinderpornografie bereits erfahrenen leitenden Oberstaatsanwalts Peter Vogt übermittelten die Fahnder der im Sommer 2006 eingesetzten Sonderkommission "Mikado" bestimmte Daten von Kartentransaktionen an die 14 Kreditkarten-Serviceunternehmen in Deutschland und erhielten von diesen eine Trefferliste.

Wie aus Ermittlungskreisen verlautete, handelte es sich bei den Kriterien um die jeweils akzeptierten Karten Visa und Mastercard, die Buchungssumme von 79,99 US-Dollar und die Abrechnung über eine obskure Billing-Gesellschaft auf den Philippinen. Es habe eine ziemlich hohe Wahrscheinlichkeit bestanden, so ein mit den Vorgängen vertrauter Insider, dass Kreditkartenbesitzer mit einer solchen Buchung auf der Abrechnung Kunden des Kinderporno-Portals gewesen seien. Tatsächlich sei der größte Teil der 322 von den Kreditkartenfirmen anhand dieser Daten ermittelten Personen einschlägig vorbestraft oder zumindest polizeibekannt gewesen. Die Verdächtigen kommen den Angaben zufolgen überwiegen aus gut situierten Kreisen und stammen aus allen Bundesländern.

Bereits im Oktober 2006 waren sämtliche Verdächtige identifiziert. Anschließend führten die in den jeweiligen Bundesländern zuständigen Behörden Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen durch. Dabei wurden zum Teil Unmengen an kinderpornografischem Material sichergestellt. Bei einem Realschullehrer aus Sachsen-Anhalt, der noch bei seiner Mutter lebte, sicherten die Beamten zahlreiche Datenträger mit einschlägigem Material.

Den weitgehend geständigen Verdächtigen droht nun, je nach Schwere des Delikts und krimineller Historie, eine Geldstrafe oder bis zu zwei Jahre Gefängnis. Mit dem Ermittlungserfolg wollen die Behörden auch ein Zeichen setzen, dass sich die Szene auch bei dem anonym wirkenden Zahlungssystem Kreditkarte nicht sicher wähnen dürfe. "Die Täter und die potenziellen Täter sollen wissen: Wir kriegen sie", warnte Innenminister Hövelmann. Justizministerin Kolb will nun zudem daran arbeiten, dass auch der Besitz von so genannten "Posing"-Bildern verboten wird. Auf diesen werden Kinder in zwar nicht explizit sexuellen, aber eindeutigen Posen abgebildet.

Nach dem eigentlichen Anbieter der Seite wird in Zusammenarbeit mit internationalen Behörden weiter gefahndet. Die Spur endet bei dem Billing-Unternehmen auf den Philippinen. Das Internet wird seit Jahren von Pädophilen zum Austausch von Kinderpornografie missbraucht. Obwohl bereits mehrfach große Netzwerke zerschlagen wurden, verfügen die Behörden nach Einschätzung von Experten nur über höchst unzureichende Mittel im Kampf gegen den Milliardenmarkt der Kinderpornografie. Kontakt und Handel spielen sich vor allem in einschlägigen Newsgroups und Tauschbörsen ab. Die Zahl der ermittelten Fälle ist – auch wegen intensivierter Ermittlungen – in den vergangenen Jahren gestiegen. So wurden im Jahr 2005 bundesweit 3788 Fälle der Verbreitung von Kinderpornografie registriert, eine Zunahme gegenüber dem Vorjahr um über 56 Prozent. (vbr)